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„Gottes Wort deutsch“: Mittelalterliche Bibelübersetzer

Der internationale Tag des Übersetzens am 30. September geht auf den Todestag des Sophronius Eusebius Hieronymus zurück – seine Lebensleistung war die Übersetzung der Bibel. Die „Vulgata“ war die im Mittelalter am meisten genutzte Bibel.

Hieronymus gilt heute neben Gregor dem Großen, Ambrosius von Mailand und Augustinus von Hippo als einer der vier großen westlichen Kirchenväter. Er schuf jene lateinische Bibelversion, welche heute „Vulgata“ genannt wird und im Mittelalter die am meisten benutzte Bibel war. Als Übersetzer reflektierte er auch seine Tätigkeit und war sich der Angreifbarkeit der Übersetzung der Heiligen Schrift bewusst. Das lässt sich seinen Vorreden entnehmen.

Übersetzungen ins Deutsche

Die „Vulgata“ stellte die Grundlage für zahlreiche Übersetzer des Mittelalters dar, deren Anliegen es war, die Bibel auch in den Volkssprachen zugänglich zu machen, aber auch die griechische Bibel blieb Basis für Übersetzungen. Schon mehrere hundert Jahre vor Luther entstanden erste volkssprachliche Übersetzungen aus dem Lateinischen und Griechischen, teils in Auszügen, teils vollständige Evangelienharmonien, so etwa die Übersetzung des Neuen Testaments ins Gotische durch Bischof Wulfila (4. Jh.), der „Althochdeutsche Tatian“ (9. Jh.), Otfrids von Weißenburg „Liber Evangeliorum“ (10. Jh.), ebenfalls ins Althochdeutsche. Dazu kommen mehrere Kommentare und Übersetzungen einzelner Bücher der Bibel, wie Willirams von Ebersberg „Hoheliedkommentar“ oder die Psalterübersetzung Notkers III. von St. Gallen. Bei den meisten dieser frühen Texte handelt es sich nicht um „reine“ Übersetzungen nach heutigen Kriterien; der Text wird gewissen Schemata angepasst, zum Beispiel gereimt, oder unter Verwendung weiterer Literatur erklärt. Überliefert sind diese Übersetzungen oft in prachtvollen Codices.

Der Österreichische Bibelübersetzer

In dieser Tradition steht auch der „Österreichische Bibelübersetzer“, ein Anonymus, der um 1330 im Raum des heutigen Österreich wirkte und 200 Jahre vor Luther große Teile der Heiligen Schrift ins Deutsche übertragen hat. Er schloss seinen Übersetzungen auch Auslegungen der Bibelstellen an. Dabei richtet er seine Übersetzung ausdrücklich an Laien. Vom „Österreichischen Bibelübersetzer“ weiß man heute wenig – nicht einmal sein Name ist bekannt, seine Schriften aber sind uns in über 120 Textzeugen erhalten. Erst 2020 entdeckte Gerold Hayer ein weiteres Fragment seiner Schriften im Stadtarchiv von Wels (Oberösterreich).
Im Projekt „Der Österreichische Bibelübersetzer. Gottes Wort deutsch“ werden die Werke dieses Bibelübersetzers ediert. Wie das Projekt dabei genau vorgeht, erfahren Sie im BAdW-Podcast. Durch die momentan vorangetriebenen digitalen Editionen seines ‚Evangelienwerks‘ und seines ‚Psalmenkommentars‘ werden mit Ende des Projekts nicht nur die Digitalisate der überliefernden Handschriften, sondern auch die Texte sowohl als Transkriptionen als auch in Form der Editionen online frei abrufbar sein. Somit wird der Wunsch des Anonymus fortgesetzt: Seine Übersetzungen werden einem breiten Publikum zugänglich sein.

Sie wollen mehr über den österreichen Anonymus erfahren? Hier geht's nochmal zum Podcast und zur Projektseite der BAdW sowie zur Projektwebsite der BBAW und zum Podcast der BBAW: „Auf ein Akademisches Viertel mit...Elke Zinsmeister“

Das Projekt

Das Interakademische Langzeitprojekt „Der Österreichische Bibelübersetzer” der Akademienunion widmet sich der kritischen editorischen Erschließung und Kommentierung der Schriften des Anonymus. Die Trägerschaft der an der Universität Augsburg untergebrachten mehrköpfigen Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Dr. Freimut Löser obliegt der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW). Die Arbeitsstelle in Augsburg steht in enger Kooperation mit einer weiteren Arbeitsgruppe an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) in Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Schubert (Universität Duisburg-Essen) und der stellvertretenden Leitung von Prof. Dr. Jens Haustein (Universität Jena). Dieses Projekt wird als Vorhaben der Bayerischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen des Akademienprogramms von der Bundesrepublik Deutschland und vom Freistaat Bayern gefördert.