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Gletscher als Zeugen der Klimakatastrophe

Das tragische Unglück am Marmolata-Gletscher, wo bei einem Gletscherabbruch sieben Menschen ums Leben kamen, zeigt, dass die Klimakatastrophe kein Zukunftsthema ist, sondern bereits heute Leib und Leben der Menschen betrifft.

Über den Gletscherabbruch sprach der BAdW-Glaziologe Christoph Mayer unter anderem mit der Tagesschau: „Vermutlich ist Schmelzwasser über die Gletscherspalten eingedrungen und ist bis zum Grund des Gletschers vorgestoßen und hat dadurch den angefrorenen Teil losgelöst. Dadurch ist dann ein relativ großer Block abgestürzt.“

https://www.tagesschau.de/inland/gletscherabbruch-dolomiten-101.html

Der Zweite Bayerische Gletscherbericht, eine Gemeinschaftsarbeit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW) und des Bayerischen Umweltministeriums, die 2021 publiziert wurde, zeigt, dass die Klimakatastrophe auch die bayerischen Gletscher mit voller Härte trifft. In rund zehn Jahren haben sie zwei Drittel ihres Volumens verloren. Ihre Fläche ist um rund 36 Fußballfelder und damit über ein Drittel zurückgegangen.

Der Bayerische Gletscherbericht zeigt auch, welche Bedeutung der Wissenschaft zukommt, den Klimawandel zu erfassen und den Folgen zu begegnen, wie etwa Georisiken in den Alpen. BAdW-Glaziologe Christoph Mayer erläutert: „Gletscher wirken in vielfältiger Weise auf unseren Lebensraum ein, sei es als Wasserspender in Trockenzeiten oder als wichtiges Element im Klimasystem. Zudem sind Gletscher vor allem als Indikator klimatischer Veränderungen von großer Bedeutung. Auch wenn die Gletscher im bayerischen Alpenraum von der Fläche her eher unbedeutend erscheinen, so stellen sie doch einen essentiellen Bestandteil des Hochgebirgs-Ökosystems dar. Die intensive Beschäftigung mit diesen Eiskörpern zeigt uns wie empfindlich gerade das Hochgebirge auf klimatische Veränderungen reagiert; sie ermöglicht uns aber auch, die Prozesse des Klimawandels deutlich besser zu verstehen. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, diese Chance zu nutzen.“

Fakten aus dem Bayerischen Gletscherbericht:

  • Aktuell gibt es in den bayerischen Alpen noch fünf Gletscher: neben dem Südlichen noch den Nördlichen Schneeferner und den Höllentalferner südlich von Garmisch-Partenkirchen sowie das Blaueis und den Watzmanngletscher im Berchtesgadener Land.
  • Die Gletscher verlieren seit Jahren kontinuierlich große Wassermengen. Allein der nördliche Schneeferner auf der Zugspitze schmilzt alle 30 Sekunden um fast 250 Liter Wasser ab.
  • Die aktuellen Erkenntnisse gehen dahin, dass der letzte bayerische Gletscher bereits Anfang der 2030er verschwunden sein könnte. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass dies erst gegen Mitte des Jahrhunderts der Fall sein wird. Die Eisreste des Südlichen Schneeferner werden bereits in wenigen Jahren abgeschmolzen sein.
  • Gletscher übernehmen wichtige Aufgaben im Wasserhaushalt, indem sie Gebirgsbäche und Flüsse auch während längerer Trockenperioden im Sommer mit Schmelzwasser versorgen. Dadurch bleiben Ökosysteme erhalten. Außerdem schützen die Eispanzer labile Bergflanken und verhindern so ein Abrutschen.
  • Ursache für das Gletschersterben ist in erster Linie die weltweite Klimaveränderung, welche mit einem deutlichen Temperaturanstieg einhergeht. In den Alpen ist der Anstieg mit rund 2 Grad Celsius dabei nahezu doppelt so hoch wie der globale Durchschnittswert. Das Klima auf 3.500 Metern Höhe hat sich an die zuvor 500 Meter tiefer vorherrschenden Verhältnisse angenähert.
  • Auch im Inneren der Berge gibt es Veränderungen: Der Permafrost taut. Geht er verloren, verlieren die Berge zusätzlich an Stabilität.

Ein Kurzfilm zeigt die Arbeit des Akademievorhabens "Erdmessung und Glaziologie"Zur Mediathek 

Das Forschungsvorhaben "Erdmessung und Glaziologie" der BAdW 

Im Mittelpunkt des Vorhabens stehen alpine Gletscher als Klimaindikatoren, ihre Rolle im kontinentalen Wasserkreislauf und ihre Wechselwirkung mit der festen Erde. Neben langjährigen, intensiven Forschungsarbeiten am Vernagtferner, dem „Hausgletscher“ in den Ötztaler Alpen, werden Untersuchungen in verschiedenen Gletscherregionen, z. B. in Norwegen, im Pamir, im Karakorum und in Island durchgeführt. Dabei kommen neben klassischen Feldmessungen aus Erdmessung und Glaziologie auch moderne Satellitenverfahren zum Einsatz. Auf Basis der so gewonnenen Daten werden die Interaktionen der Gletscher mit ihrer Umwelt in Abhängigkeit von klimatischen Veränderungen modelliert. Parallel werden geodätische Arbeiten zur Geodynamik und zu Referenzsystemen als Basis für vielfältige weitere Untersuchungen in den Geowissenschaften durchgeführt.

Zur Webseite

Zukunft ohne Eis - Zweiter Bayerischer Gletscherbericht: Klimawandel in den Alpen (2021) 9 MB