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Steinerne Zeugen digital – Erforschung der jüdischen Friedhöfe in Deutschland

Die rund 2.400 jüdischen Friedhöfe gehören zu den ältesten Zeugnissen der Sepulkralkultur in Deutschland. Als historische, literarische und materielle Quellen des jüdischen Lebens sind sie von großer Bedeutung. Ein Kooperationsprojekt der beiden Akademien in Bayern und Nordrhein-Westfalen mit Arbeitsstellen an den Universitäten Duisburg-Essen und Bamberg dokumentiert und erforscht nun diese wichtigen Zeugnisse – auch um dem Verfall zuvorzukommen.

In Deutschland haben sich vom 11. Jahrhundert an etwa 2.400 jüdische Friedhöfe erhalten. Kein anderes europäisches Land besitzt – trotz großer Verluste – eine vergleichbar alte, reiche und vielschichtige Überlieferung. Die Friedhöfe zählen zu den ältesten Zeugnissen der Sepulkralkultur in Deutschland. Ihre Erhaltung, Dokumentation, Erschließung und Vermittlung ist eine Aufgabe von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung, dennoch haben sie bislang nicht die Aufmerksamkeit gefunden, die ihnen als religiös-kulturellen Orten der Erinnerung, als Ausdruck individueller und korporativer jüdischer Identität sowie als historischen, literarischen und materiellen Quellen zukommt.

Diese Forschungslücke schließt nun ein auf 24 Jahre angelegtes Vorhaben im Akademienprogramm. Forschende aus Nordrhein-Westfalen und Bayern dokumentieren im Rahmen des Projektes „Steinerne Zeugen digital – Deutsch-jüdische Sepulkralkultur zwischen Mittelalter und Moderne – Raum, Form, Inschrift“ ausgewählte jüdische Friedhöfe. 35 Friedhöfe, 33.600 Grabmale und über 19.000 Inschriften aus ganz Deutschland, die einen Untersuchungszeitraum von der Frühen Neuzeit bis in das 20. Jahrhundert abdecken, sind zur Dokumentation vorgesehen. Neben den Inschriften erfasst das Team die geographischen Gegebenheiten der Anlage, bauliche Merkmale wie das Material, die Formensprache, den Erhaltungszustand und die Anordnung der Grabmale. Die Ergebnisse werden als digitales Text- und Bildcorpus publiziert.

Die interdisziplinäre Grundlage des Projekts, an dem neben der Judaistik und der Bauforschung auch die digitalen Denkmaltechnologien wesentlichen Anteil haben, ermöglicht neue Forschungsfragen und Perspektiven auf das jüdische Leben jenseits der großen Zentren. Trotz und wegen des Verlustes vieler schriftlicher und baulicher Belege ist es das Ziel, die letzten Ruhestätten der Jüdinnen und Juden als Zeugen für ein Jahrhunderte währendes Neben- und Miteinander von Mehrheit und Minderheit zu erschließen.

Das Projekt wird an zwei Arbeitsstellen am Steinheim-Institut der Universität Duisburg-Essen und an der Universität Bamberg gemeinsam durchgeführt. Projektträger sind die Bayerische Akademie der Wissenschaften und die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste. Das Vorhaben „Steinerne Zeugen digital – Deutsch-jüdische Sepulkralkultur zwischen Mittelalter und Moderne – Raum, Form, Inschrift“ ist Teil des von Bund und Ländern geförderten Akademienprogramms, das der Erhaltung, Sicherung und Vergegenwärtigung des kulturellen Erbes dient.

Steinerne Zeugen digital – Deutsch-jüdische Sepulkralkultur zwischen Mittelalter und Moderne – Raum, Form, Inschrift
Weitere Informationen: https://agate.academy/id/PR.798.de   
Projektleiterinnen: Prof. Dr. Lucia Raspe (Universität Duisburg-Essen), Prof. Dr. Susanne Talabardon, (Universität Bamberg), Prof. Dr. Mona Hess (Universität Bamberg),

Kontakt:

Prof. Dr. Lucia Raspe, Professorin für deutsch-jüdische Geschichte und Direktorin des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts an der Universität Duisburg-Essen
raspe@steinheim-institut.org

Prof. Dr. Susanne Talabardon, Professorin für Judaistik an der Universität Bamberg
susanne.talabardon@uni-bamberg.de  

Prof. Dr. Mona Hess, Professorin für Digitale Denkmaltechnologien an der Universität Bamberg
mona.hess@uni-bamberg.de   

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