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Pioniere digitaler Geisteswissenschaften: Akademieprojekt Lexicon musicum Latinum medii aevi feiert Projektabschluss
„Ein Lexicon Musicum, das die Terminologie der mittelalterlichen Musiktheorie bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts erfassen soll, ist als langfristiges Unternehmen in Aussicht genommen“ – so berichtete das Jahrbuch der Akademie 1960, als der Startschuss für das Langzeitprojekt fiel. Die Hauptkriterien waren, alle Fachwörter der Musiktheorie aus der gedruckt zugänglichen Fachliteratur des Mittelalters als wissenschaftliches Wörterbuch zu erfassen. Später wurde der zeitliche Horizont bis 1500 erweitert.
Grundlagenforschung seit 1960
Mit dem Projektstart im Jahr 1960 begann für die Forscher der Akademie zunächst jahrzehntelange Grundlagenforschungsarbeit: Einen Katalog musiktheoretischer Quellen gab es ebenso wenig wie eine systematische Übersicht bereits edierter Texte. So musste der umfassende Handschriftenbestand erst gesichtet, bewertet, datiert und lokalisiert werden. 1993 publizierte das Projekt den ersten Faszikel, 2016 wurde der letzte Punkt hinter den Faszikel tractus – Z gesetzt.
56 Jahre, 3.733 Wortartikel, 26 Begleitpublikationen, ein Online-Wörterbuch
Nach 56 Jahren liegt das Werk nun in gedruckter und digitaler Form vor: Insgesamt umfasst es 3.733 Wortartikel, 26 Begleitpublikationen und ein Online-Wörterbuch. Vom 15. bis 16. Dezember trafen sich in München internationale Expertinnen und Experten, um die Forschungsergebnisse zu würdigen und auf ihr Potential für die Zukunft zu befragen.
Pioniere digitaler Geisteswissenschaften
Im einführenden Vortrag blickte Michael Bernhard, über vierzig Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter des Projekts, auf die Geschichte des Akademievorhabens zurück: In den 1960er Jahren gehörte das Lexicon musicum Latinum weltweit zu den ersten geisteswissenschaftlichen Forschungsprojekten, die ihr Quellenmaterial mittels elektronischer Datenverarbeitung aufbereiteten. Vom Lochen und Beschriften der Lochkarten über die Textverarbeitung am PC bis hin zur gegenwärtigen digitalen Publikation des Lexikons war es ein weiter Weg. Dank dieser Pionierarbeit kann die Akademie nun Forschungsergebnisse der letzten 56 Jahre gleichzeitig mit dem Projektabschluss im Rahmen ihrer Open-Access-Strategie digital kostenfrei zugänglich und nachnutzbar machen.
Grundlagenforschung im Akademienprogramm
„Dass Grundlagenforschung dieser Art in unserer kurzlebigen Zeit auf hohem Niveau überhaupt noch möglich ist, verdanken wir maßgeblich dem Akademienprogramm“, so Präsident Karl-Heinz Hoffmann in seinem Grußwort. Seit 1979 fördert das von Bund und Ländern gemeinsam getragene Programm die Erschließung, Sicherung und Vergegenwärtigung unseres kulturellen Erbes. Mit einem Gesamtvolumen von 63 Millionen Euro finanziert das Akademienprogramm derzeit 144 Vorhaben.