Logo der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Den Dreh raus

Ein Fußballspieler ist kurz davor einen Eckball zu schießen. Zu sehen sind nur Ball und Beine des Spielers.
Pixabay

Eine Gruppe von Forschenden u.a. vom Walther-Meißner-Institut (WMI) der BAdW hat einen neuen Ansatz zur Erforschung von Spin-Informationen entwickelt und eröffnet damit neue Pfade für eine digitale Zukunft.

Es ist wieder Zeit, dass sich was dreht! Gerade zeigen bei der Fußballeuropameisterschaft in Deutschland viele Ausnahmetalente ihr Können am Ball und schießen wunderschöne Bananenflanken und Schlenzer ins Tor. Entscheidend für die Flugbahn ist nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch die Drehung des Balls um die eigene Achse. Diese Drehbewegung wird in der Physik als Drehimpuls bezeichnet. 

Im Bereich der Quantenphysik besitzen auch die kleinsten Bausteine unserer Materie – Elektronen, Protonen, und Neutronen – einen Eigendrehimpuls, der Spin genannt wird. Der Spin der Elektronen kann zwei Zustände einnehmen (Spin-Up und Spin-Down). Ein solches System kann man für digitale und quantenbasierte Informationsverarbeitung nutzen. Diese Eigenschaft wird im Bereich der Spintronik genutzt, um z. B. Magnetfeldsensoren mit hoher Empfindlichkeit und magnetische Speicher mit hoher Dichte in Festkörpersystemen zu ermöglichen. In unserem Alltag finden wir solche Sensoren zur Messung der Drehrate der Räder für das Antiblockiersystem im Auto oder zum Auslesen von Daten auf magnetischen Speichern wie Festplatten oder Magnetbändern. 

Eine große Herausforderung im Bereich der Spintronik ist, dass der Spin der Elektronen beim Transport nicht erhalten bleibt und der Eigendrehimpuls des Elektrons auf andere Teilchen und Anregungen im Festkörper übertragen werden kann. Solche Anregungen im Festkörper können Gitterschwingungen (Phononen) oder, in einem magnetisch geordneten System (zum Beispiel Ferromagnete), Schwingungen des magnetischen Gitters (Magnonen) sein. Wenn der Spin des Elektrons auf diese Anregungen übertragen wird, geht die Information, die er trägt, verloren oder wird verändert. Dieses Phänomen macht es schwierig, den Spin über längere Strecken zu transportieren, ohne dass die Information verloren geht oder sich verändert. Daraus ergibt sich ein komplexes Zusammenspiel, das entschlüsselt werden muss um das Potential der spintronischen Bauelemente auszuschöpfen.

Eine Forschungsgemeinschaft, bestehend aus Forschenden der Bayerischen Akademie der Wissenschaften am Walther-Meißner-Institut, der Technischen Universität München, der Universität Konstanz, der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und der Universidad Autónoma de Madrid, hat einen neuen Ansatz entwickelt, den komplexen Austausch von Spin-Informationen in einem Festkörper zu untersuchen. Sie konnten beobachten, dass Magnonen einen Austausch von Spin-Informationen zwischen zwei räumlich separierten und elektrisch isolierten ferromagnetischen Metallstreifen ermöglichen. 

Durch diese Arbeiten wurde ein neuer Pfad für die Entwicklung von Bauteilen zur Spin-Informationsverarbeitung eröffnet. So können wir auch in Zukunft mit der voranschreitenden Digitalisierung Schritt halten. Die Forschungsarbeit wurde im Fachjournal Physical Review Letters veröffentlicht und von den Herausgebern der Zeitschrift mit der „editor’s suggestion“ und einer Zusammenfassung in physics.org ausgezeichnet.

Publikation:
Electrically Induced Angular Momentum Flow between Separated Ferromagnets
R. Schlitz, M. Grammer, T. Wimmer, J. Gückelhorn, L. Flacke, S.T.B. Goennenwein, R. Gross, H. Huebl, A. Kamra, M. Althammer, 
Physical Review Letters 132, 256701 (2024)
doi: 10.1103/PhysRevLett.132.256701