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Wortweise: Nürnberger Trichter - still missing!

Der Nürnberger Trichter bezeichnet eine Form des mechanischen Lernens "eingetrichterter" Inhalte. Doch auch Sprachgrenzen können trichterförmig verlaufen.

Im Nürnberger Wörterbuch erzählt dessen Autor, Herbert Maas, eine Geschichte aus seiner Zeit als Lehrer in Fürth: „Eines Tages fiel mir ein Schüler auf, der ein Gerstenkorn am Auge hatte. Ich fragte ihn mitleidig vor versammelter Klasse, ob das wohl ein Meerigel sei. Durch meine Verwendung des Nürnberger Dialektworts Meerigel statt hochdeutsch ‚Gerstenkorn‘ stellten sich plötzlich Verständnisschwierigkeiten ein. Die Klasse verstand mich nicht und plädierte ziemlich einhellig dafür, daß das Ding Bierigl heiße.“ (1992, 40) 

Die Tatsache, dass ein Gerstenkorn in Nürnberg Meerigl in Fürth jedoch Bierigl genannt wird, kann man gut auf einer Karte darstellen, indem man die Stadtgrenze zwischen Nürnberg und Fürth als Sprachgrenze interpretiert. Solche Sprachgrenzen weisen oft typische Verläufe auf, die als Kreis, Fächer, Keil oder Trichter angesehen werden können. Sprachkarten, die den Großraum Nürnberg abbilden, zeigen häufig den Kreis, der als Indiz für sprachliche Neuerungen gilt. 

Im Gegensatz zu Meer- und Bierigl, die auf Nürnberg und Fürth beschränkt bleiben, scheint das Wort Schart (gesprochen: Schatt), eine Bezeichnung für den Gugelhupf, Karriere gemacht zu haben, ergibt doch das Kartenbild einen Kreis mit Nürnberg als Zentrum. An den Rändern des Schart-Gebietes gilt der Schart als besonderer Kuchen („besserer Teig als der Gugelhupf“), als Erinnerungsform („hat meine Mutter gesagt“), aber auch als Neuerung („sagt man jetzt“, „ist modern“). Besonders im südlichen Landkreis Roth und im Norden des Landkreises Weißenburg-Gunzenhausen erkennt man an der Verwendung von Schart den Städter: „Schatt sagte ein Gnotzheimer, der lange in Nürnberg war“. Der Schart ist offensichtlich schick: Auch eine Großbäckerei aus dem Raum Nürnberg hat ein Lemon-Buttermilch-Schättla im Sortiment. 

Im Bayerischen Wörterbuch belegt Johann Andreas Schmeller „der, das Schart“ noch mit der Bedeutung: „kupferner Tiegel auf Füßen mit einem Deckel, welcher mit Glut belegt wird, um ‚Gogelhopfen‘, Pasteten etc. darin zu backen.“ (1877, Sp. 470) Dass Schatt nicht mehr die runde Kuchenform mit Loch in der Mitte und eingekerbtem – mit Scharten versehenem – Rand, sondern den Kuchen als solchen bezeichnet, ist ein typischer Fall des Stilmittels Metonymie. Die Bezeichnungsübertragung erfolgte von dem Gefäß auf den Inhalt.

Neben dem Kreis gilt auch der Trichter als Kartenbild, das sprachliche Neuerungen aufzeigt. Leider konnte ein Nürnberger Trichter wieder nicht gefunden werden, was den Schülern, die dem Unterricht von Herrn Maas längst entwachsen sind, ein Trost sein mag. 

 

Die Belege im Text stammen aus der Datensammlung des Fränkischen Wörterbuchs (www.wbf.badw.de) sowie aus dem Sprachatlas von Mittelfranken (www.baydat.badw.de). Zitiert wurde zudem aus: SCHMELLER, JOHANN ANDREAS (1877): Bayerisches Wörterbuch. Band 2. München. MAAS, HERBERT (1992): Wou die Hasen Hoosen und die Hosen Huusn haaßn. Ein Nürnberger Wörterbuch. Sechste ergänzte und erweiterte Auflage. Nürnberg.

Die im Text verwendeten Begriffe finden sich auch auf der neuen Plattform BDO|Bayerns Dialekte Online, bei der denem dem Fränkischen auch das Bayerische und das Schwäbische Wörterbuch der BAdW vertreten sind. 

PD Dr. Almut König ist wissenschaftliche Redaktorin beim Fränkischen Wörterbuch der BAdW mit einer Arbeitsstelle an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.