Norwegisch-bayerischer Forschungsaustausch
Dies bleibt zunächst unklar. Allerdings könnten wir die Neuigkeit nutzen und uns generell mit der Frage beschäftigen, wie überhaupt Höhen gemessen werden. Was genau ist diese „Höhe“ und worauf bezieht sie sich? Mit theoretischen und praktischen Aspekten dieser Frage beschäftigt sich das Projekt Erdmessung und Glaziologie der BAdW seit vielen Jahren. Im Grunde bereits seit dem Jahre 1868, als die Vorläuferkommission - die Bayerischen Kommission für die Internationale Erdmessung - als Beitrag des Königreichs Bayern zu einer einheitlichen Vermessung Mitteleuropas gegründet wurde. Bereits damals wollte man durch Verknüpfung von Gezeitenpegeln erstmals einen einheitlichen Höhenbezug in Europa schaffen - realisiert durch die mittleren Wasserstände entlang der Küsten. Später diente die Erdmessungskommission der BAdW als Rechenstelle für die Realisierung des westeuropäischen Höhennetzes UELN (United European Levelling Network).
Ein einheitlicher Höhenbezug für den gesamten Globus lässt sich erst heute mit den modernen Verfahren der Satellitengeodäsie schaffen. Einen wesentlichen Beitrag hierzu lieferte die Satellitenmission GOCE der Europäischen Weltraumagentur ESA. Sie erlaubt die Bestimmung einer globalen Höhenbezugsfläche, einer Niveaufläche im Schwerefeld der Erde die als Geoid (siehe Abbildung) bezeichnet wird und nahe der mittleren Oberfläche der Weltmeere liegt. Aktuelle Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf die optimale Kombination von Satellitendaten und terrestrischen Messungen, auf die einheitliche Realisierung des Höhenbezugs an Land und auf dem Ozean, die Verbindung zum mittleren Meeresspiegel sowie die Modellierung und Reduktion zeitvariabler Effekte.
In Kooperation mit der Norwegischen Universität für Umwelt- und Biowissenschaften (NMBU) im südnorwegischen Ås bearbeitet das Projekt Erdmessung und Glaziologie seit einigen Jahren verschiedene Aspekte der Geoidberechnung und der Beobachtung zeitlicher Änderungen des Schwerefeldes. Aktuell soll in den NMBU-finanzierten Projekten SEGREF (Sea level, geoid and geodetic reference frames for sustainable development along the Norwegian coast) und SARGRAV (SAR-altimetry for sea level rise and gravity field modeling in the Norwegian coastal zone) eine hochgenaue Höhenbezugsfläche in einer Testregion an der westnorwegischen Küste bestimmt werden. Das Gebiet ist einerseits sehr gut vermessen, andererseits stellt es aufgrund seiner bewegten Topographie und der komplexen Küstenlinie mit ihren vielen Fjorden und vorgelagerten Inseln besondere Herausforderungen an die Modellierung.
In den beiden kommenden Jahren (2021 -2022) unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Arbeiten im Rahmen des projektbezogenen Personenaustauschprogramms des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Damit können gegenseitige Forschungsaufenthalte der beteiligten Wissenschaftler finanziert werden: Mitarbeiter des Projekts Erdmessung und Glaziologie haben die Gelegenheit zu Aufenthalten in Norwegen - im Austausch werden norwegische Kollegen, insbesondere Doktoranden, an die BAdW kommen.
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Dr.-Ing. Christian Gerlach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des BAdW-Projektes "Erdmessung und Glaziologie"
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Links zu bisherigen Forschungsarbeiten (Publikationen):
Gerlach Ch.; Ophaug, V.; Omang, O.; Idžanović, M. (2019) Quality and distribution of terrestrial gravity data for precise regional geoid modeling in a test-bed along the Norwegian coast
Ophaug, V.; Gerlach, Ch. (2017) On the Equivalence of Spherical Splines with Least-Squares Collocation and Stokes's Formula for Regional Geoid Computation
Gerlach Ch.; Ophaug, V. (2017) Accuracy of Regional Geoid Modelling with GOCE
Gerlach, Ch.; Gruber, Th.; Rummel, R. (2015) Höhensysteme der nächsten Generation