Mehr Digitalkompetenz für Europa: „bidt-Digitalbarometer.international“ in Brüssel vorgestellt
Die dort vorgestellte bidt-Studie liefert Erkenntnisse für Deutschland sowie sechs weitere europäische Länder und bietet Ansätze zur Ausweitung digitaler Teilhabe und Kompetenzen.
„Mehr Digitalkompetenz für Europa in Zeiten von generativer KI“ – unter diesem Motto diskutierten Expertinnen und Experten in der Vertretung des Freistaates Bayern bei der Europäischen Union in Brüssel. Die inhaltliche Basis bildete eine empirische Studie des Bayerischen Forschungsinstituts für Digitale Transformation (bidt) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW). Das „bidt-Digitalbarometer.international“ vergleicht die digitalen Kompetenzen der Bevölkerung in Deutschland, Österreich, Finnland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien. Die Forschenden stützen sich dabei auf den Selbsteinschätzungstest DigCompSAT, der von der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) der EU-Kommission entwickelt wurde. Das bidt liefert damit erstmals repräsentative Daten für dieses Instrument aus den sieben betrachteten Ländern – „eine wichtige Neuerung“, wie Martin Ulbrich, Policy Officer im DG Connect der Europäischen Kommission, im Rahmen der Veranstaltung betonte.
Auch beim Publikum stieß das Thema auf große Resonanz: Zur Fachveranstaltung erschienen 160 Gäste, darunter Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Kommission, des EU-Parlaments, der Landesvertretungen in Brüssel sowie Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Digital- und Europapolitik. Das Grußwort sprach Korbinian Keck für die Vertretung des Freistaates Bayern bei der Europäischen Union.
Die vollständige Studie finden Sie hier: https://www.bidt.digital/publikation/bidt-digitalbarometer-international/
Große digitale Kluft in Deutschland – Finnland ein Vorbild für Europa
Deutschland liegt bei den digitalen Kompetenzen zurück, so ein Fazit der Studie. Dabei hängen die individuellen Kompetenzen deutlich stärker von soziostrukturellen Faktoren wie Alter und Geschlecht ab als in den sechs Vergleichsländern – die digitale Kluft ist größer. Vor allem die kleineren EU-Länder Finnland und Österreich schneiden bei digitalen Kompetenzen besonders gut ab. Die deutsche Bevölkerung bildet hinsichtlich digitaler Kompetenzen zusammen mit Spanien und Italien das Schlusslicht.
Eine Erklärung für das gute Ergebnis Finnlands: Schon in den unteren Klassen zielen Lehrpläne auf die Vermittlung von IKT-Kompetenzen als fächerübergreifende Fähigkeiten. Die Kompetenzförderung setzt sich im Erwachsenenalter fort, etwa durch kostenlose Onlinekurse zu künstlicher Intelligenz und durch Anreize, digitale Technologien im Beruf einzusetzen.
Für Deutschland fordern die Autorinnen und Autoren der bidt-Studie eine stärkere gesellschaftliche Teilhabe, etwa durch einheitliche Bildungsangebote wie die deutschlandweite Einführung des Pflichtunterrichtsfachs Informatik bereits in frühen Jahrgangsstufen, eine stärkere Förderung von Weiterbildungsangeboten sowie höhere Anreize, diese auch wahrzunehmen.
Urteilsfähigkeit und generative KI: Herausforderungen für Europas digitale Dekade
Zentrale Ergebnisse des „bidt-Digitalbarometer.international“ wurden dem Fachpublikum in Brüssel präsentiert. Auf der Abendveranstaltung standen neben den Resultaten auch Lösungsansätze im Fokus, die in einer Paneldiskussion vertieft wurden. Auf dem Podium vertreten waren neben Martin Ulbrich, Policy Officer DG Connect der EU-Kommission, Dr. Riina Vuorikari, Mitglied im Advisory Board von ALL DIGITAL, Prof. Dr. Alexander Pretschner, Vorsitzender des bidt Direktoriums und Dr. Roland A. Stürz, Leiter des bidt Think Tank. Moderiert wurde das Panel von der Tech-Journalistin Katrin-Cécile Ziegler.
Einigkeit bestand darin, dass digitale Kompetenzen in der Breite der Bevölkerung gestärkt und die digitalen Klüfte in Europa verringert werden müssen. Bei der Frage, wer hierfür die Hauptverantwortung trage, wurden unterschiedliche Einschätzungen geäußert: Mehrfach wurde hier das Individuum selbst genannt, es wurde aber auch auf die Bedeutung der Bildungssysteme auf nationaler Ebene verwiesen. Grundsätzlich müsse das ganze digitale Ökosystem ausgebaut werden, damit Europa sich im Rahmen der digitalen Dekade der Europäischen Kommission fit für die Zukunft macht.
Auch wurde erörtert, welche Auswirkungen die Verbreitung generativer KI auf die digitalisierte Gesellschaft hat. Der Einfluss von Desinformationskampagnen und Deepfakes auf die bevorstehenden Europawahlen war ein zentraler Anknüpfungspunkt der Debatte. Eine Erkenntnis, die sich durch das Panel zog: Die Anforderungen hinsichtlich der Digitalkompetenzen ändern sich laufend. Daher ist kritische Urteilsfähigkeit in einer Welt mit generativer KI essenziell. Dass das Thema den Nerv der Zeit traf, zeigte die angeregte Diskussion mit dem Publikum, die auf dem anschließenden bayerischen Empfang weitergeführt wurde.
Stimmen der teilnehmenden Podiumsgäste:
Mastery of the latest developments in generative AI will become a key lever of Europe’s competitiveness and technological sovereignty. To achieve this mastery, a significant increase in advanced AI skills in the EU must be a priority, both regarding specialized generative AI developers and knowledgeable generative AI users. A sense of urgency is necessary, because the window of opportunity offered by the technological upheaval will not stay open forever. - Martin Ulbrich, Europäische Kommission, Policy Officer Artificial Intelligence Policy Development and Coordination DG Connect
It is great to see a cross-country study to get impressions from countries on the impact of digitalization on important domains for Europeans. The focus on AI, and asking people to ponder about risks and opportunities, was interesting, I appreciated the focus on ethical and moral aspects! This goes along with the DigComp framework that talks about basic principles to keep in mind when interacting with AI systems. This can help citizens become more confident, critical, and yet open-minded users of today’s technologies, while helping mitigate risks related to safety, personal data and privacy. - Dr. Riina Vuorikari, Mitglied im Advisory Board von ALL DIGITAL
Weil KI zur Lösung unscharfer Probleme verwendet wird, sind die Erzeugnisse eines KI-Systems nie zu 100 Prozent richtig oder zu 100 Prozent falsch. Wir müssen uns vorab überlegen, wann wir das Erzeugnis einer (generativen) KI als „gut“ bezeichnen. Und wann ist es gut genug? Was ist der Vergleichsmaßstab? Und wie können Menschen diese Güte erfassen? Jede:r muss verstehen, dass KI auch falsche Ergebnisse liefern kann – und das letztlich wir Menschen dafür die Verantwortung tragen. - Prof. Dr. Alexander Pretschner, Vorsitzender im bidt Direktorium
Digitale Kompetenzen der Menschen spielen eine wichtige Rolle für den Wirtschaftsstandort, für unsere Demokratie und für eine Teilhabe am digitalen Leben. Daten des „bidt-Digitalbarometer.international“ zeigen für Deutschland im europäischen Vergleich eine besonders große digitale Kluft bezüglich digitaler Kompetenzen. Damit sollten wir uns nicht abfinden, sondern Maßnahmen ergreifen, diese Kluft zu verringern. - Dr. Roland A. Stürz, Leiter des bidt Think Tank