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SuperMUC ermöglicht erste multiphysikalische Simulation des Sumatra-Erdbebens
Das Sumatra-Andamanen-Erdbeben an Weihnachten 2004 war eines der stärksten und zerstörerischsten Erdbeben der Geschichte. Es löste einen verheerenden Tsunami im Indischen Ozean aus, mindestens 230.000 Menschen starben. Der genaue Ablauf des Bebens wirft immer noch viele Fragen auf.
Genauere Einblicke in die geophysikalischen Abläufe verspricht nun eine Bruchmechanik-Simulation, die ein Team aus Geophysikern, Informatikern und Mathematikern der Technischen Universität München (TUM) und der Ludwig-Maximilians-Universität München auf dem Höchstleistungsrechner SuperMUC des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ) durchgeführt hat.
Genaue Vorhersage praktisch unmöglich
Wenn Erdplatten an den Nahtstellen der Erdkruste aufeinandertreffen und untereinander abtauchen, entstehen in diesen sogenannten Subduktionszonen in regelmäßigen Abständen starke Erdbeben. Allerdings ist nicht bekannt, unter welchen Bedingungen solch ein „Subduktionsbeben“ einen Tsunami welcher Größe auslöst – eine genaue Vorhersage ist praktisch nicht möglich.
Erdbeben sind hochkomplizierte physikalische Vorgänge. Während sich die mechanischen Prozesse des aufreißenden Gesteins auf einer Skala von einigen Metern abspielen, hebt und senkt sich die gesamte Erdoberfläche über hunderte Kilometer. Während des Sumatra Erdbebens erstreckte sich der Erdbebenherd über mehr als 1500 Kilometer (etwa die Distanz München–Helsinki oder Los Angeles–Seattle), die größte Bruchlänge, die jemals beobachtet wurde. Der Meeresboden wurde durch das Beben innerhalb von zehn Minuten um bis zu zehn Meter angehoben.
Simulation mit über 100 Milliarden Freiheitsgraden
Um das gesamte Erdbeben zu simulieren, zerlegten die Wissenschaftler das Gebiet, das sich von Indien bis nach Thailand erstreckt, in ein dreidimensionales Gitter mit über 200 Millionen Zellen und mehr als 100 Milliarden Freiheitsgraden.
Die Größe der einzelnen Zellen variierte dabei, je nachdem, welche Auflösung benötigt wurde: An der Erbebenquelle waren die Zellen sehr klein, um die komplizierten Reibungsprozesse aufzulösen, ebenso nahe der Oberfläche, wo es topographische Besonderheiten und relativ langsame seismische Wellen gibt. In Bereichen mit wenig Komplexität und schnellen Wellen wurden die Zellen entsprechend größer gewählt.
Zur Berechnung der Ausbreitung der seismischen Wellen mussten auf den kleinsten Zellen mehr als drei Millionen Zeitschritte berechnet werden. Als Datenquelle nutzte das Team alle verfügbaren Informationen über die geologische Struktur der Subduktionszone und über die Beschaffenheit des Ozeanbodens sowie Laborexperimente zum Gesteinsbruchverhalten.
Zusätzlich zur Plattengrenze berücksichtigten die Wissenschaftler drei verzweigte Verwerfungen, sogenannte „Splay Faults“, die in Verdacht stehen, einen besonders starken Einfluss auf die Tsunami-verursachende Verformung des Ozeanbodens zu haben.
Fast 50 Trillionen Rechenoperationen
„Um die Simulation auf SuperMUC überhaupt und in vertretbarer Zeit durchführen zu können, waren letztlich fünf Jahre Vorarbeit zur Optimierung unserer Erdbeben-Simulations-Software SeisSol nötig – noch vor zwei Jahren hätten wir die 15-fache Rechenzeit für diese Simulation benötigt“, erläutert Informatik-Professor Michael Bader von der TUM.
Alle algorithmischen Komponenten, von der Ein- und Ausgabe der Daten über die numerischen Algorithmen zur Lösung der physikalischen Gleichungen bis hin zur parallelen Implementierung auf tausenden von Multicore-Prozessoren, mussten für den SuperMUC optimiert werden.
Trotzdem rechnete die Sumatra-Simulation fast 14 Stunden auf allen 86.016 Rechenkernen des SuperMUC, und führte dabei fast 50 Trillionen Rechenoperationen (beinahe 1015 Operationen pro Sekunde, oder ca. 1 Petaflop/s, ein Drittel der theoretischen Spitzenrechenleistung) aus.
Größte und längste Erdbebensimulation
„Uns ist die größte und mit etwa acht Minuten Dauer längste Erdbebensimulation dieser Art gelungen sowie das erste physikalische Szenario eines realen Subduktions-Bruchprozesses überhaupt“, sagt die Geophysikerin Dr. Alice-Agnes Gabriel von der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Durch das gleichzeitige Berechnen des komplizierten Brechens mehrerer Verwerfungssegmente und der Ausbreitung seismischer Wellen im Untergrund konnten wir spannende Einsichten in die geophysikalischen Abläufe des Bebens gewinnen.“
„Insbesondere die verzweigten ‚splay faults‘, die man sich als Pop-up Brüche neben dem bekannten Subduktions-Graben vorstellen kann, führen zu langgezogenen, ruckartigen Erhebungen des Meeresbodens und damit zu einem erhöhten Tsunami-Risiko,“ erläutert die Geophysikerin weiter. „Dass wir solch realistische Geometrien in physikalische Erdbeben-Modelle einbeziehen können, ist momentan weltweit einzigartig”.
Gefördert wurde das Projekt von der Volkswagen Stiftung (Projekt ASCETE), von Intel (im Rahmen eines Intel Parallel Computing Center) sowie durch das Leibniz Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Pressebild:
Unter Sumatra taucht die ozeanische Platte unter der kontinentalen Platte ab. Die komplexe geologische Struktur mit Gesteinsschichten und verzweigten Verwerfungen führt zu besonders komplizierten Bruchprozessen während eines Erdbebens. (Copyright Gabriel / Bader)
Publikation:
„Extreme scale multi-physics simulations of the tsunamigenic 2004 sumatra megathrust earthquake” / doi>10.1145/3126908.3126948 wird auf der SC17 Conference in Denver, Colorado (USA) von 12-17
November publiziert: SC17 Confer-ence in Denver, Colorado
Weitere Informationen:
Kontakt:
Prof. Dr. Michael Bader
Technische Universität München
Lehrstuhl für Informatik V
Boltzmannstr. 3, 85748 Garching
Tel: +49 (0) 89 35831-7810
E-Mail: bader@in.tum.de
Dr. Alice-Agnes Gabriel
Geophysik - Department für Geo- und Umweltwissenschaften
Ludwig-Maximilians Universität München
Theresienstraße 41
80333 München
Tel. +49 (0) 89 2180 4214
E-Mail: gabriel@geophysik.uni-muenchen.de