15/03
Quantensprung an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
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28. Mai 2003
Der Sprecher des neuen Münchner Sonderforschungsbereichs 'Festkörperbasierte Quanteninformationsverarbeitung: Physikalische Konzepte und Materialaspekte' leitet das Walther-Meißner-Institut für Tieftemperaturforschung (WMI) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Damit ist erstmals eine Akademie der Wissenschaften federführend an einem Sonderforschungsbereich beteiligt.
Zum 1. Juli 2003 wird die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) einen neuen Sonderforschungsbereich in München einrichten. Dies beschloss der zuständige Bewilligungsausschuss in seiner Sitzung am 20. und 21. Mai. Der Sonderforschungsbereich "Festkörperbasierte Quanteninformationsverarbeitung: Physikalische Konzepte und Materialaspekte" bündelt die Forschungsarbeiten mehrerer Arbeitsgruppen mit dem Ziel, Kooperationspartner zusammenzuführen, deren Beiträge sich auf hohem wissenschaftlichem Niveau ergänzen.
An dem neuen „Münchner“ Sonderforschungsbereich sind folgende Forschungseinrichtungen beteiligt: Das Walther-Meißner-Institut für Tieftemperaturforschung (WMI) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Garching, das Walter Schottky Institut (WSI) und das Physik Department der Technischen Universität München, das Center of Nanoscience der Ludwig-Maximilians-Universität München, sowie einzelne Arbeitsgruppen der Universität Augsburg, der Universität Regensburg und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik, Garching.
Sonderforschungsbereiche ermöglichen bei zeitlicher Begrenzung - in der Regel zwölf Jahre - und regelmäßiger strenger Begutachtung die Durchführung aufwändiger Forschungsvorhaben, wobei die Wissenschaftler mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und auch mit der Wirtschaft kooperieren können. Sprecher des Sonderforschungsbereichs "Festkörperbasierte Quanteninformationsverarbeitung" ist Prof. Dr. Rudolf Gross, Direktor am Walther-Meißner-Institut für Tieftemperaturforschung (WMI) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Damit liegt die wissenschaftliche Leitung eines Sonderforschungsbereiches erstmals an einer Akademie der Wissenschaften. Dies ist jedoch nur möglich, weil Prof. Dr. Rudolf Gross gleichzeitig ordentlicher Professor für Technische Physik an der Technischen Universität München ist. Sonderforschungsbereiche können nach den Förderbestimmungen der Deutsche Forschungsgemeinschaft nämlich nur an einer Hochschule eingerichtet werden: In diesem Fall ist das die Technische Universität München. Der SFB ist zunächst auf 4 Jahre bewilligt und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit etwa 2 Mio. € pro Jahr gefördert.
Zum Inhalt des Sonderforschungsbereiches:
Die Forschungsschwerpunkte des SFB liegen im interdisziplinären Fachgebiet der festkörperbasierten Quanteninformationsverarbeitung (QIV), das auf Ideen und Konzepte aus der Informationstheorie, der Physik und der Mathematik zurückgreift. Im Zentrum der Forschungsarbeiten stehen die faszinierenden Eigenschaften von Quantensystemen und die Vision, in ferner Zukunft mit Hilfe von sogenannten Quantenbits (Qubits) leistungsfähige Quanteninformationssysteme realisieren zu können. Beispiele sind der Quantencomputer oder die Quantenkryptographie. Quantencomputer rechnen nicht mit Nullen und Einsen, sondern mit Quantenzuständen. Diese können nicht nur zwei wohldefinierte Zustände einnehmen, sondern auch beliebige Kombinationen derselben. Quantencomputer sind damit theoretisch in der Lage, mehrere Prozesse gleichzeitig auszuführen und somit bestimmte Probleme (z.B. Primzahlenzerlegung oder Datenbanksuche) wesentlich schneller zu lösen als heutige Rechner. Mittels Quantenkryptographie lassen sich sensible Informationen sicher übertragen.
Mit welchen Bauteilen lassen sich Quantencomputer bauen? Die grundlegenden Schaltelemente – die sogenannten Qubits – könnten z.B. winzige Nanostrukturen aus Supraleitern, Halbleitern oder magnetischen Materialien sein. Auf dem Weg zu ultraschnellen Quanteninformationssystemen müssen allerdings noch viele Fragen gelöst werden. Die Forscher müssen die Festkörper-Qubits erst im Detail verstehen und lernen, sie zu kontrollieren und gezielt zu manipulieren. Im jetzt beginnenden SFB werden die beteiligten Wissenschaftler versuchen, mit neuesten experimentellen und theoretischen Methoden und Techniken sowohl ein tiefgehendes Verständnis für die physikalischen Grundlagen der festkörperbasierten Quanteninformationssysteme zu entwickeln, als auch die materialwissenschaftliche und technologische Basis für eine erfolgreiche Implementierung solcher Systeme zu schaffen. Hierzu werden im SFB Forschungsaktivitäten aus den Bereichen der Quanteninformationstheorie, der theoretischen und experimentellen Festkörperphysik, der Quantenoptik, der Materialwissenschaften und der Nanotechnologie gebündelt.
Das Walther-Meißner-Institut für Tieftemperaturforschung (WMI) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften führt Forschungsvorhaben im Bereich der tiefen und ultratiefen Temperaturen durch und beliefert die Ludwigs-Maximilians-Universität (LMU) und die Technische Universität (TU) München mit flüssigem Helium. Das WMI führt sowohl Grundlagenforschung als auch angewandte Forschung im Bereich der Tieftemperatur-Festkörperphysik durch, mit Schwerpunkt auf Supraleitung und Suprafluidität, Magnetismus und Magnetoelektronik sowie mesokopische Systeme. Untersucht werden die allgemeinen Eigenschaften von metallischen Systemen bei niedrigen und sehr niedrigen Temperaturen, was auch zu angewandter Forschung nach Methoden führt, mit denen niedrige Temperaturen erzeugt und genützt werden können. Bei der Materialpräparation wird Dünnschichttechnologie und Einkristallzucht zur Herstellung von supraleitenden und magnetischen Systemen, organischen Leitern und Funktionskeramiken eingesetzt.
Sprecher des Sonderforschungsbereichs:
Prof. Dr. Rudolf Gross
Walther-Meißner-Institut für Tieftemperaturforschung (WMI) der
Bayerischen Akademie der Wissenschaften
Walther-Meißner-Straße 8
85748 Garching
Tel : 089 28 91-42 02
Fax : 089 28 91-42 01
E-Mail : Rudolf.Gross@wmi.badw.de