07/04
Mitglieder der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 2004
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27. April 2004
Die Mitgliedschaft ist eine bedeutende Auszeichnung für Wissenschaftler: Die Bayerische Akademie der Wissenschaften in München hat 2004 sechs ordentliche und drei korrespondierende Mitglieder neu gewählt.
Satzungsgemäß können nur Wissenschaftler gewählt werden „deren Leistung sich nicht in der Übermittlung oder Anwendung bereits vorhandener Erkenntnisse erschöpft, sondern eine wesentliche Erweiterung des Wissensbestandes darstellt“. Die ordentlichen Mitglieder der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wohnen alle im Freistaat, korrespondierende Mitglieder dagegen kommen aus aller Welt.
Die Bayerische Akademie der Wissenschaften vereint (fast) alle wissenschaftlichen Disziplinen unter einem Dach und verdankt ihr Wirken wesentlich dem ehrenamtlichen Engagement ihrer Mitglieder, nicht zuletzt in den akademieeigenen Forschungs-, Wörterbuch und Editionsprojekten.
Ordentliche Mitglieder der Philosophisch-historischen Klasse
* Alfons Bürge, Römisches Recht, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit und Bürgerliches Recht, München
* Hans Maier, Christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie, München
* Carlos Ulises Moulines, Philosophie, Logik und Wissenschaftstheorie, München
* Rolf Schönberger, Philosophie, Regensburg
Ordentliche Mitglieder der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse
* Peter Gruss, Biologie, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, München
* Franz-Ulrich Hartl, Biochemie, Direktor am MPI für Biochemie, Martinsried bei München
Korrespondierende Mitglieder der Philosophisch-historischen Klasse
* Henry Chadwick, Patristik, Cambridge, Vereinigtes Königreich
Gerald D. Feldman, Geschichte, Berkeley, USA
* André Gouron, Rechtsgeschichte, Montpellier, Frankreich
Zu den ordentlichen Mitgliedern:
Prof. Dr. Dr. Alfons Bürge, geboren 1947, ist ordentlicher Professor für Römisches Recht, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit und Bürgerliches Recht an der Ludwig-Maximilians-Universität, München. Er studierte zuerst klassische und mittellateinische Philologie in Zürich, dann Rechtwissenschaften ebendort. Seine philologische Dissertation über Ciceros Murena (1974) bewegt sich bereits im Grenzbereich von Altphilologie und römischem Recht. Seine juristische Dissertation schrieb Bürge dann über die römischen Regeln zum Zurückbehaltungsrecht, die bis in die Moderne fortwirken. Sein zur Rechtsgeschichte der Neuzeit vorgelegtes Werk „Das französische Privatrecht im 19. Jahrhundert. Zwischen Tradition und Pandektenwissenschaft, Liberalismus und Etatismus“ (1991) gilt in Frankreich heute als Standardwerk.
Prof. Dr. Hans Maier, geboren 1931, ist emeritierter ordentlicher Professor für Christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie an der Ludwig-Maximilians-Universität, München. Er studierte in Freiburg, München und Paris Geschichte, Romanistik, Germanistik und Philosophie. 1957 promovierte er bei dem bekannten Politikwissenschaftler Arnold Bergstraesser in Freiburg über das Thema „Revolution und Kirche. Studien zur Frühgeschichte der Christlichen Demokratie“. Nach der Habilitation über „Die älteste deutsche Staats- und Verwaltungslehre“, in der er sich mit der deutschen Eigenart, das Gemeinwohl aus Normen zu definieren, und der Pflicht als Regulativ befasste, erhielt Maier Rufe aus Berlin, Mainz und München. Letzteren nahm er an und kam 1962 als ordentlicher Professor für Politische Wissenschaft an die Universität München. 1970 wurde Hans Maier zum Bayerischen Staatsminister für Unterricht und Kultus ernannt. Dieses Amt hatte er bis 1986 inne. Dann kehrte er wieder an Universität München zurück: auf den Lehrstuhl für Christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie. Dieser sogenannte „Guardini-Lehrstuhl“, geht auf den weltweit angesehenen Theologen und Philosophen Romano Guardini zurück, der das Dreieck Kunst, Wissenschaft und Glaube zum Mittelpunkt seines Schaffens machte.
Prof. Dr. Carlos-Ulises Moulines, geboren 1946, ist ordentlicher Professor für Philosophie, Logik und Wissenschaftstheorie an der Ludwig-Maximilians-Universität, München. Er studierte Physik und Philosophie in Barcelona und promovierte an der Universität München über die „logische Rekonstruktion der Thermodynamik.“ Moulines ist der wichtigste Repräsentant strukturalistischer Wissenschaftstheorie, die mengentheoretische Begriffe verwendet, um zu erklären, was eine wissenschaftliche Theorie definiert und wie sich deren Kern zu ihren Modellen und intendierten Anwendungen verhält. Nach seiner Dissertation 1975 wurde er an die Nationale Universität Mexiko (UNAM) berufen. Gastaufenthalte in Brasilien und Deutschland folgten. 1984 nahm er einen Ruf der Universität Bielefeld, 1988 einen Ruf der FU Berlin, 1993 den der Universität, München an. Seit 2003 hat er außerdem den renommierten Lehrstuhl „Blaise Pascal“ an der Pariser „Ecole Normale Supérieure“ inne.
Prof. Dr. Rolf Schönberger, geboren 1954, ist ordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Regensburg. Sein Forschungsinteresse gilt zentralen philosophischen Fragen mittelalterlichen Denkens in seinem Bezug zur Antike und im Blick auf die Neuzeit und Gegenwart. In seiner Dissertation „Transformation des klassischen Seinsverständnisses“ hat er aus der Perspektive der mittelalterlichen Philosophie die Frage nach dem Sein thematisiert, die insbesondere durch Heidegger wieder zum Grundgedanken moderner Philosophie wurde. In der 1994 publizierten Habilitation „Relation als Vergleich“ widmete er sich dem logischen und ontologischen Status von Relation und Relationalität und deren Funktion und Bedeutung für Sprache und Erkenntnis. Einen Ruf an die Universität Freiburg hat er 2002 abgelehnt.
Prof. Dr. Peter Gruss, geboren 1949, ist Honorarprofessor an der Biologischen Fakultät der Universität Göttingen und Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, München. Er hat in Darmstadt Biologie studiert und am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg promoviert über den Simian Virus 40 und dessen Abbau durch spezifische Nucleasen, seine Verwendung als Vektor für Affen-Zellen und sein Vorkommen in einer Chromatin-ähnlichen Struktur. Am National Cancer Institute in Bethesda, Maryland, USA, arbeitete er anschließend weiter an diesem Virus und an der Transkription von Adenoviren. 1982 kehrte Gruss als Professor an das Institut für Mikrobiologie der Universität Heidelberg zurück, 1986 wurde er Direktor der Abteilung Molekulare Zellbiologie am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Seit 2002 ist er Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, München.
Prof. Dr. Franz-Ulrich Hartl, geboren 1957, ist Direktor des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried bei München. Er hat Medizin an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg studiert und 1985 dort promoviert. In seiner Postdoktorandenzeit am Sloan-Kettering Institute, New York, USA, und dem Institut für Physiologische Chemie der Universität München befasste er sich mit dem Problem der Sortierung neugebildeter Proteine an ihre Funktionsorte in der Zelle. Hartl demonstrierte erstmals das Prinzip der katalysierten Faltung und die entscheidende Funktion der molekularen „Chaperone“ (frz./engl. chaperon = Anstandsdame), das sind Proteine, die anderen Proteinen dabei helfen sich zu falten, und die auch eine Schutzfunktion haben. Nach seiner Habilitation 1990 konzentrierte sich Hartl auf die Wirkungsweise der Chaperone und hat nach dem Hitzeschockprotein Hsp60 eine Reihe weiterer lebenswichtiger Chaperonsysteme, wie die Hitzeschockproteine Hsp70 und Hsp90 untersucht.
Zu den korrespondierenden Mitgliedern:
Prof. Dr. Sir Henry Chadwick, geboren 1920, ist emeritierter ordentlicher Professor für Patristische Theologie an der Universität Cambridge, Vereinigtes Königreich. Er hat Musik und Theologie in
Cambridge studiert. 1959 wurde er als Regius Professor of Divinity nach Oxford berufen, 1979 nahm er einen Ruf als Regius Professor of Divinity in Cambridge an. Henry Chadwick ist der führende englische Patristiker und hat der anglikanischen Kirche über mehr als zwei Jahrzehnte in der Anglican-Roman Catholic International Commission als Ökumeniker gedient durch seine überragende Sachkenntnis zur Geschichte des kirchlichen Amtes und auch des Papsttums.
Prof. Dr. Gerald D. Feldman, geboren 1937, ist ordentlicher Professor für Geschichte an der University of California, Berkeley, USA. Schwerpunkt seiner Arbeit sind die deutsche Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere Sozial-, Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte. 2001 erschien gleichzeitig auf englisch und deutsch seine Monographie „Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft in den Jahren 1933-1945“, hervorgegangen aus Spezialrecherchen über die Behandlung von jüdischen Versicherungsansprüchen nach der Vertreibung oder der Vernichtung der Rechteinhaber. Feldman gilt als einer der herausragenden Neu-Historiker unserer Zeit.
Prof. Dr. André Gouron, geboren 1931, ist ordentlicher Professor für Rechtsgeschichte an der Universität Montpellier I, Frankreich. Er ist einer der derzeit führenden französischen Rechtshistoriker. Gouron wies nach, dass es seit etwa 1120 bereits eine von Bologna unabhängige Schule des römischen Rechts in Südfrankreich im Rhônegebiet gab, und widerlegte damit die Annahme, dass die europäischen Rechtswissenschaft erst mit Bologna und der Schule der Glossatoren begründet wurde. Neue Erkenntnisse hat er nicht nur in der juristischen Literaturgeschichte, sondern ebenso in der Dogmen- und Institutionengeschichte erzielt.