24/04
Jahrfeier der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 2004
24/04
18. November 2004
Auszeichnungen an Staatsminister a.D. Hans Zehetmair, Otto Gritschneder (juristische Zeitgeschichte, München), Albert Dietl (Kunstgeschichte, Uni Regensburg), Andreas Zumbusch (Physikalische Chemie, Uni München) und Erika von Mutius (Kinderheilkunde, Uni München). Festvortrag von Prof. Jens-Uwe Hartmann über die Gewaltbereitschaft im Buddhismus.
Im 245. Jahr ihres Bestehens feiert die Bayerische Akademie der Wissenschaften am 4. Dezember 2004 ihre Jahressitzung. Im Münchner Herkulessaal wird Präsident Nöth die Akademiepreise und -medaillen an Wissenschaftler und um die Akademie verdiente Persönlichkeiten verleihen. Den Festvortrag mit dem Titel „’Triffst du den Buddha, wirst du ihn töten’ – Wie groß ist das Gewaltpotential im Buddhismus?“ hält der Indologe Prof. Jens-Uwe Hartmann, o. Professor für Indologie an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität.
Rund 1.000 Ehrengäste aus Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft werden zur diesjährigen Feierlichen Jahressitzung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften erwartet. Der Präsident der Akademie, Prof. Dr. rer.nat Dr. h.c. mult. Heinrich Nöth wird in seinem Jahresbericht u.a. auf die Stellungnahme des Wissenschaftsrats zur Gründung einer Nationalen Akademie in Deutschland und die Vorschläge der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften dazu eingehen. Außerdem wird er über den Fortgang bei den über 120 wissenschaftlichen Projekten berichten, die von der Akademie betreut werden. Zu den Höhepunkten in diesem Jahr zählt das Richtfest für den Neubau des Leibniz-Rechenzentrums der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in Garching, das am 8. November 2004 gefeiert werden konnte. In dem Gebäude (Fertigstellung Ende 2005) wird einer der zehn leistungsfähigsten Rechner der Welt untergebracht.
Die Akademie verleiht auch in diesem Jahr mehrere Auszeichnungen und Preise:
Medaille „Bene merenti“ 2004
Staatsminister a.D. Dr. h.c. Hans Zehetmair erhält die Medaille „Bene merenti“ der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in Gold. Er wird zur Zeit der einzige Träger dieser Medaille sein, mit der zuletzt der frühere Ministerpräsident Goppel ausgezeichnet worden ist. „Mit dieser Auszeichnung wollen wir unseren Dank ausdrücken für die Förderung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, die Sie uns während Ihrer Amtszeit als Staatsminister für Forschung, Wissenschaft und Kunst zuteil werden ließen, denn wir haben gespürt, dass Sie unsere Akademie nicht nur von Amts wegen mit Interesse begleitet haben, sondern sich unserer Institution, die auf eine lange Tradition zurückblicken kann, aber sich auch mit Problemen der Gegenwart beschäftigt, stets auch persönlich verbunden fühlten“ begründet Präsident Nöth die Übergabe der Medaille. Außerdem werden folgende Persönlichkeiten ausgezeichnet:
Akademiepreis 2004
Der Münchner Rechtsanwalt und Publizist Dr. Otto Gritschneder, geb. 1914, erhält den Akademiepreis 2004, der jedes Jahr an einen nicht hauptberuflich tätigen Forscher vergeben wird. Als Zeitzeuge und manchmal unbequemer Mahner hat Gritschneder dazu beigetragen, die Zeit des Nationalsozialismus mit archivalisch fundierten und kenntnisreichen Detailstudien aufzubereiten. Seine Werke über den Hitler-Prozess (erschienen 1990 und 2001) haben in einer schonungslosen und scharfsinnigen Analyse den zurückhaltenden Umgang der damaligen bayerischen Justiz mit dem „Terroristen Adolf H.“ beleuchtet. Im Juli 1937 fand er Gelegenheit, vor dem Sondergericht München dem Prozess gegen den Jesuitenpater Rupert Mayer beizuwohnen und den Verlauf in stenografischen Notizen festzuhalten. Daraus ging in den sechziger Jahren eine maßgebliche Dokumentation dieses Verfahrens hervor. Andere Beiträge zur Rechtsgeschichte befassen sich mit dem Verhalten der Justiz bei der Liquidierung des SA-Führers Röhm am 30. Juni 1934, mit deutschen Kriegsgerichtsurteilen („Furchtbare Richter“, erschienen 1998) oder dem „Angeklagten Ludwig Thoma“.
Max-Weber-Preis 2004
Für seine Habilitationsschrift „Die Sprache der Signaturen. Studien zu den mittelalterlichen Künstlerinschriften Italiens“ wird der Dr. phil. Albert Dietl, Privatdozent an der Universität Regensburg, mit dem Max-Weber-Preis 2004 ausgezeichnet. Mit diesem Preis fördert die Philosophisch-historische Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Nachwuchswissenschaftler. Eine systematische Erfassung, Analyse und Interpretation der Künstlersignaturen für den gesamten italienischen Bereich quer durch Gattungen, Regionen und Jahrhunderte vom Frühmittelalter bis zur Mitte des Trecento hat bislang gefehlt. Dietl legt mit seiner Arbeit ein quellenkundliches und interpretierendes Standardwerk vor, für das er alle im Original oder auch kopial in Italien nachweisbaren Inschriften auf dauerhaften Trägern, d.h. auf Stein oder Metall, mithin auf Werken der Bau-, Bildhauer-, Goldschmiede- und Bronzekunst bearbeitet hat. Zu dem 800 Nummern umfassenden Katalog der italienischen Werke kommt ein 'Kurzkatalog' von 400 Beispielen nicht-italienischer Künstlerinschriften desselben Zeitraums, vor allem aus Deutschland, Frankreich, England, Spanien und Dalmatien. Der interpretierende Text untersucht auf breiter Ebene die damit verbundenen historischen bzw. kunst-, geistes- und sozialgeschichtlichen Probleme. Über die Vielzahl und Vielfalt der Einzelergebnisse hinaus leistet die Arbeit zugleich einen essentiellen und innovativen Beitrag zur vielerörterten Frage des Nachlebens der Antike im Mittelalter.
Arnold-Sommerfeld-Preis 2004
Die Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zeichnet mit dem Arnold-Sommerfeld-Preis junge Nachwuchswissenschaftler aus. In diesem Jahr erhält Dr. Andreas Zumbusch, Privatdozent an der Universität München, Department Chemie und Pharmazie, diese Auszeichnung für seine herausragenden, auch international anerkannten Beiträge auf dem aktuellen Gebiet der biophysikalischen Chemie. Als Postdoktorand am Pacific Northwest National Laboratory entwickelte er eine neue mikroskopische Technik, die Coherent Anti-Stokes Raman Scattering (CARS) Mikroskopie (veröffentlicht in Physical Review Letters 1999). Diese von ihm im Rahmen seiner Habilitationsarbeit weiterentwickelte Methode ermöglicht die anfärbefreie Untersuchung lebender Zellen mit hoher Sensitivität und großer dreidimensionaler Auflösung. Seine Ergebnisse zur selektiven Darstellung von Mitochondrien in lebenden Zellen initiierten den Aufbau von CARS-Mikroskopen in weltweit mehr als 10 Arbeitsgruppen; die Kommerzialisierung dieser Methode wird inzwischen von mehreren Firmen verfolgt. Von seinen Arbeiten zur Einzelmolekülspektroskopie ist insbesondere ein neues Verfahren zu erwähnen, mit dem es ihm gelang, die Emission des „Grün Fluoreszierenden Proteins“ (GFP) durch simultane 2-Farben-Anregung zu vergrößern, wodurch Untersuchungen in lebenden Zellen wesentlich erleichtert werden.
Robert-Sauer-Preis 2004
Auf eine private Stiftung geht der 1998 erstmals verliehene Robert-Sauer-Preis zurück. Diesmal erhält ihn Frau Prof. Dr. med. Erika von Mutius, Privatdozentin und Ärztin am Dr. von Hauner’schen Kinderspital der Universität München, deren Arbeiten über die beunruhigende Zunahme von Allergien bei Kindern, insbesondere von Asthma und Heuschnupfen, zu einem Umdenken geführt haben. Diese in den letzten Jahrzehnten beobachtete Zunahme in allen hochzivilisierten Ländern erklärte man allgemein mit der zunehmende Belastung der Luft mit Fremdstoffen. In einer gleich nach der deutschen Wiedervereinigung vorgenommenen Untersuchung fand sie, dass im schwer luftbelasteten Raum Halle/Leipzig Allergien seltener waren als in München. Weitere Arbeiten wiesen statt dessen auf eine wesentliche Rolle mikrobieller bzw. infektiöser Faktoren hin. Kinder, die in dieser Hinsicht früh stärkeren Belastungen ausgesetzt waren, wie z.B. Kinder mit vielen Geschwistern, hatten seltener Allergien, am seltensten Bauernkinder, die schon als Säuglinge Kontakt mit Stalltieren und Mist gehabt hatten. Offensichtlich hindert eine frühe Auseinandersetzung mit pathogenen Keimen das Immunsystems daran, sich gegen - an sich völlig unschädliche - potentielle Allergene zu wenden, ein Problem, das neue Fragen an Forschung und praktische Medizin stellt.
Die Bayerische Akademie der Wissenschaften wurde 1759 in München mit dem Auftrag gegründet, „alle Sachen mit Ausnahme der Glaubenssachen und politischen Streitigkeiten ... zu Gegenständen der Untersuchung zu nehmen“. Mit über 300 hauptamtlichen Mitarbeitern und einem Jahresetat von rund 32 Mio. Euro ist sie heute die größte der insgesamt sieben wissenschaftlichen Akademien in der Bundesrepublik. Ihr Schwerpunkt sind interdisziplinäre Grundlagenforschung und langfristig angelegte Forschungsprojekte im geisteswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Bereich. Beispiele sind die Erstellung von wissenschaftlichen Wörterbüchern, Werkverzeichnissen und kritischen Gesamtausgaben von Urkunden und Manuskripten. Sie stellen eine unverzichtbare Grundlage der wissenschaftlichen Forschung und Lehre dar. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften unterhält internationale Kontakte und veranstaltet Symposien sowie öffentliche Vorträge zu aktuellen Themen der Forschung, u.a. im Bereich der Ökologie und der Medizin. Rund 40 an und bei der Akademie angesiedelte Kommissionen betreuen derzeit etwa 130 Forschungsprojekte. Zusätzlich betreiben zwei dieser Kommissionen wissenschaftliche Einrichtungen: das noch in der Münchner Innenstadt gelegene Leibniz-Rechenzentrum, das einen der weltweit leistungsfähigsten Rechner betreibt, und das in Garching angesiedelte Walther-Meißner-Institut für Tieftemperaturforschung.
Weitere Auskünfte:
Martin Schütz
Pressereferent der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
Marstallplatz 8
80539 München
Tel.: 089/23031-1141