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Jahresfeier 2005 der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
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03. Dezember 2005
Ein Wechsel an der Spitze und die Vergabe hoher Wissenschaftspreise kennzeichnen diesmal die Feierliche Jahressitzung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften im Herkulessaal der Münchener Residenz am 3. Dezember 2005. Grußwort von Staatsminister Goppel.
Nach achtjähriger Präsidentschaft übergibt der Chemiker Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heinrich Nöth die Amtskette an den Rechtshistoriker Prof. Dr. jur. Dietmar Willoweit. Willoweit wird als 36. Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften seit ihrer Gründung im Jahr 1759 diese traditionsreiche Gelehrtengesellschaft und Forschungseinrichtung zunächst für eine dreijährige Amtsperiode leiten. Unter den zahlreichen Ehrengästen aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft hat sich auch der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Dr. Thomas Goppel, angekündigt, der ein Grußwort aus Anlass des Präsidentenwechsels sprechen wird.
Der neue Präsident
Dietmar Willoweit wurde am 17. Juli 1936 in Memel geboren. Nach dem Abitur in Aschaffenburg studierte er in Freiburg und Heidelberg, wo er nach den juristischen Staatsexamina 1967 promoviert und 1971 mit einer grundlegenden Untersuchung über das frühneuzeitliche Staatsrecht („Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt“) habilitiert wurde. 1974 nahm er einen Ruf auf einen Lehrstuhl an der Freien Universität Berlin an. Er wechselte 1979 nach Tübingen und war von 1984 bis 2004 Ordinarius für Deutsche Rechtsgeschichte, Bürgerliches Recht und Kirchenrecht an der Universität Würzburg. Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit sind die deutsche Verfassungsgeschichte vom 12. bis zum 19. Jahrhundert, die Geschichte der Rechtsbildung und der Rezeption des römischen Rechts im Mittelalter, die Geschichte der Straf- und Sühnepraxis vom 12. bis zum 17. Jahrhundert und die Rechtsgeschichte der Juden im mittelalterlichen Reich. Darüber hinaus beschäftigt er sich auch mit dem deutschen Fürstenrecht, mit der Rechtsgeschichte Altpreußens und des Baltikums sowie neuerdings mit der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland und der Völkerrechtsgeschichte. Seine auch in das Japanische übersetzte „Deutsche Verfassungsgeschichte“ ist 2005 in 5. Auflage erschienen. Zu den Handbüchern der Deutschen Verwaltungsgeschichte und der Germania Judaica hat er gewichtige Beiträge beigesteuert. Eine Auswahl seiner über 200 Publikationen erscheint 2006 in zwei Bänden unter dem Titel „Staatsbildung und Jurisprudenz im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit“. Er war langjähriger Gutachter der DFG, ist Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften, mehrere Jahre Präsident des J.-G.-Herder-Forschungsrates und Träger des „Brüder-Grimm-Preises“ der Philipps-Universität Marburg 2002.
Seit 1988 ist Willoweit ordentliches Mitglied der Philosophisch-historischen Klasse, der Kommission für Bayerische Landesgeschichte, seit 2000 der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und seit 2002 ihr Sekretär. Neben seinem Engagement für die Erhaltung der historischen Fächer als Bestandteil der juristischen Ausbildung, hat Willoweit in Würzburg seit zwei Jahrzehnten Erfahrungen in interdisziplinären Forschungsprojekten und im fächerübergreifenden Dia-log, auch mit Naturwissenschaftlern, gesammelt.
Der scheidende Präsident
Heinrich Nöth wurde am 20. Juni 1928 in München als Sohn eines Musikers geboren. Nach dem Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München promovierte er dort 1954 mit einer Dissertation „Zur Kenntnis der Wasserstoffverbindungen der III. Hauptgruppe des Periodensystems.“ Nach einer Zwischenstation als research officer in der Industrie Großbritanniens habilitierte er sich 1962 an der LMU München mit einer Arbeit über „Beiträge zur Chemie der Bor-Stickstoff-Verbindungen und der Subverbindungen des Bors.“ 1966 nahm Nöth schließlich einen Ruf als Ordinarius und Direktor des Instituts für Anorganische Chemie der Universität Marburg an. Schon 1969 kehrte er als Nachfolger von Prof. Egon Wiberg (Lehrstuhl für Anorganische Chemie) und als Vor-stand des Instituts für Anorganische Chemie der LMU wieder in seine Heimatstadt zurück. Auch nach seiner Emeritierung 1996 blieb er aktiv in der Forschung und Lehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München und im Rahmen einer Gastprofessur am Centro de Investigación y de Estudios Avanzados del Instituto Politécnico Nacional (CINVESTAV), Méxiko.
Das wissenschaftliche Werk Heinrich Nöths ist u.a. gekennzeichnet durch etwa 800 Veröffentlichungen und 16 Patente. Er war 18 Jahre lang Herausgeber der Chemischen Berichte und ist Mitglied des Advisory Boards von elf Zeitschriften. Seit 1988 gehört er dem Kuratorium des Deutschen Museums in München an. Er ist Ehrendoktor der Universität Marburg und der University of Leeds/Großbritannien, Träger des Bayerischen Maximiliansordens sowie des Alfred-Stock-Gedächtnispreises der Gesellschaft Deutscher Chemiker, deren Präsident er zweimal war (1988/89 und 1992/93). Er ist Ehren-mitglied der Royal Society of Chemistry, London, und Mitglied mehrerer Akademien, darunter der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und der Russischen Akademie der Wissenschaften. In die Bayerische Akademie der Wissenschaften wurde Heinrich Nöth 1975 aufgenommen. Seit-dem gehört er ihrer Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse als ordentliches Mitglied an. Seit 1998 ist er Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Als offizieller Vertreter der Uni-on der deutschen Akademien der Wissenschaften pflegte er viele Jahre die internationalen Bezieh un-gen zu ausländischen Akademien und Wissenschaftsorganisationen.
In Nöths Amtszeit fallen wichtige Ereignisse, insbesondere der Ausbau des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu einem nationalen Höchstleistungsrechenzentrum. In Kürze wird es einen Neubau in Garching beziehen und dort einen der schnellsten Rechner Europas betreiben. In seinem Rechenschaftsberichthttp://www.badw.de/aktuell/reden_vortraege/reden_texte/2005_Jahrfeier/Festansprache_Noeth_2005.pdf wird Heinrich Nöth weiterhin über die wichtigsten Leistungen der Kommissionen und Forschungseinrichtungen der Akademie in seiner Amtszeit berichten, u.a. über Wörterbücher (z.B. Bayerisches Wörterbuch, Wörterbuch der tibetischen Schriftsprache) und die Editionen der Werke bedeutender Geistesgrößen, wie der Philosophen Schelling, Fichte und Jacobi, des Soziologen Max Weber oder des Schriftsteller Adalbert Stifter, die teilweise mit mehreren Bänden weiter vorangetrieben werden konnten. Viel Beachtung in der Öffentlichkeit fanden auch die naturwissenschaftlichen Vorhaben der Akademie, wie z.B. die langfristige Beobachtung der Klimaveränderung und ihre Auswirkungen auf die Gletscher, die Rundgespräche der Kommission für Ökologie (z.B. über das Waldsterben, über Infektionskrankheiten, die von Tieren übertragen werden), oder die Beschäftigung mit aktuellen technologischen Fragen (z.B. Mobilfunk, Perspektiven der Energiewirtschaft).
Heinrich Nöth wird dem 6-köpfigen Akademievorstand weiterhin als Alt-Präsident angehören.
Die Preisträger
In jedem Jahr vergibt die Bayerische Akademie der Wissenschaften auf ihrer Feierlichen Jahressitzung Preise für herausragende wissenschaftliche Leistungen und Medaillen für Verdienste um die Akademie. In diesem Jahr werden folgende Persönlichkeiten ausgezeichnet
Akademiepreis
Dr. h.c. Josef Bogner, geb. 1939, aus Gersthofen wird für seine als „Nicht-Profiwissenschaftler“ – er war von Beruf Gartenamtmann am Botanischen Garten in München – ungewöhnlichen wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der tropischen Pflanzenforschung, insbesondere der Araceen (Aronstabgewächse), ausgezeichnet. Nach ihm ist sogar eine Gattung Bognera benannt und weit mehr als 30 Arten aus verschiedenen Monocotylen-Familien tragen den Zusatz bogneri. Der Akademiepreis wird alljährlich an einen nicht hauptberuflich tätigen Forscher vergeben und ist mit 5.000 Euro dotiert.
Max-Weber-Preis der Philosophisch-historischen Klasse
Dr. phil. Eugen Hill, geb. 1972, wissenschaftlicher Assistent am Institut für Indogermanische Sprachwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München erhält diesen mit 4.000 Euro dotierten Preis für seine Habilitationsschrift mit dem Titel „Die Aorist-Präsentien des Indoiranischen. Untersuchungen zur Morphologie und Semantik einer Präsensklasse“. Seine Arbeit stellt einen wesentlichen Beitrag zur sprachlichen Erschließung des Altindischen dar. Die Ergebnisse werden einerseits Indogermanisten beim Verständnis sprachlicher Entwicklungen weiterhelfen, andererseits aber auch Indologen in ihrem Verständnis der zugrunde liegenden Quellen.
Arnold-Sommerfeld-Preis der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse
Erstmals in zwei Teilen zu je 2.000 Euro vergeben an
Dipl.-Biol. Dr. rer. nat. Johannes Herrmann, geb. 1964, Privatdozent für Biochemie am Institut für Physiologische Chemie der Ludwig-Maximilians-Universität München, für seine herausragenden Leistungen und Entdeckungen im Bereich der molekularen Zellbiologie insbesondere der Mechanismen der Biogenese der Mitochondrien
und an
PD Dr. rer. nat. Heinrich Schwoerer, geb. 1964, Oberassistent am Institut für Optik und Quantenelektronik der Friedrich-Schiller-Universität Jena, für die mit seiner Forschung erzielten herausragenden Ergebnisse mit ultraintensiven Laserimpulsen.
Preis der Peregrinus-Stiftung
Frau Dr. phil. Hadumod Bußmann, geb. 1933, Vorsitzende der Therese von Bayern-Stiftung, für ihr wissenschaftliches Wirken im Bereich der Linguistik und in der interdisziplinären Frauenforschung, mit dem sie auch in Verbindung mit der von ihr gegründeten Therese von Bayern-Stiftung sehr viel zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft beigetragen und damit Anstöße gegeben hat, die von hoher gesellschaftspolitischer Relevanz sind. Der Preis ist mit 5.100 Euro dotiert.
Medaille „Bene merenti“ in Silber
Die Medaille „Bene merenti“ der Akademie erhält Norbert Willisch, Ministerialrat im Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, in Anerkennung seiner Mitwirkung beim Ausbau des Leibniz-Rechenzentrums. Er leitete 29 Jahre das Referat „Datenverarbeitung in den Hochschulen“ und war u.a. für die Konzepte einer bayernweiten, Institutionen übergreifenden EDV-Versorgung sowie die dafür erforderlichen Investitionen nach dem Hochschulbauförderungsgesetz zuständig. In sein Aufgabengebiet fielen insbesondere die nicht unerheblichen Beschaffungen für das Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, das er bei seiner Entwicklung von einem regionalen Rechenzentrum für die wissenschaftlichen Einrichtungen in München und Umgebung über ein bayerisches Landeshochleistungsrechenzentrum bis hin zum nationalen Höchstleistungsrechenzentrum maßgeblich begleitete und unterstützte.
Festvortrag
Den Festvortrag hält in diesem Jahr Prof. Dr. Karl Stetter, Ordinarius i.R. für Mikrobiologie an der Universität Regensburg. Sein Titel lautet „Feuerzwerge auf der Erde – und auf anderen Planeten?“. Wasserhaltige Vulkangebiete enthalten hyperthermophile (extreme Hitze liebende) Archaebakterien, die bei Temperaturen von 80 bis 113° C heute unter Bedingungen leben, wie sie einst auf der Urerde vor 3,9 Milliarden Jahren geherrscht haben. Im Stammbaum des Lebens handelt es sich hierbei um die urtümlichsten Lebewesen. Mit einer Zellgröße von lediglich 0,4 Tausendstel Millimeter ist Nanoarchaeum equitans („Reitender Urzwerg“) das kleinste Lebewesen. Aufgrund ihrer sehr einfachen Lebensansprüche könnten ähnliche Mikroorganismen auch auf anderen thermisch akti-ven Planeten leben, sofern flüssiges Wasser vorhanden ist.