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Feierliche Jahressitzung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften / Dietmar Willoweit übergab Amtskette an Karl-Heinz Hoffmann
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04. Dezember 2010
Rechenschaftsbericht des Präsidenten mit Stellungnahme zur akademiepolitischen Entwicklung in Deutschland / Den mit 25.000 Euro dotierten Schelling-Preis erhielt der Biochemiker Matthias Mann / Weitere Preisverleihungen im Gesamtwert von 26.000 Euro / Übergabe der Amtskette an Karl-Heinz Hoffmann, Präsident ab Januar 2011
Rund 1.000 Gäste aus Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft kamen zur Feierlichen Jahressitzung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften am 4. Dezember 2010 im Münchner Herkulessaal. Im Mittelpunkt des Rechenschaftsberichtes von Präsident Dietmar Willoweit stand u.a. die Aufnahme eines neues Forschungsvorhabens ab Januar 2011. Die erste kritische Richard-Strauss-Werkausgabe überhaupt sei ein "geradezu spektakuläres Vorhaben, das den Fachwissenschaftler ebenso interessiert wie eine breite Öffentlichkeit, Bayern besonders, aber die Welt der Kultur überhaupt". Er berichtete außerdem über das 2010 eingerichtete Förderkolleg der Akademie für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Bayern. Die ersten sechs Mitglieder hätten, so Willoweit, "die Möglichkeit des interdisziplinären Gesprächs – ein Charakteristikum des Akademiegedankens – geradezu mit Begeisterung aufgenommen". Im nächsten Jahr soll der Kreis der Kollegiaten auf 12, 2012 dann auf insgesamt 18 Mitglieder erhöht werden. Der Akademiepräsident nahm abschließend zur akademiepolitischen Lage in der Bundesrepublik nach Errichtung der Nationalakademie Stellung und forderte die Länderakademien auf, gemeinsam insbesondere die Anliegen der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, "ihr Selbstverständnis und ihre existenzielle Notwendigkeit" in der Öffentlichkeit stärker sichtbar zu machen: "Wer anders als die Wissenschaftsakademien der Länder, in denen die breit gefächerten Geistes- und Gesellschaftswissenschaften schon ein Konzentrat bilden, könnte diese Aufgabe besser übernehmen?"
Dietmar Willoweit, der das Amt des Präsidenten seit Januar 2006 inne hatte, überreichte bei der Jahressitzung die Amtskette an Karl-Heinz Hoffmann, em. o. Professor für Angewandte Mathematik an der TU München, den das Plenum Ende Oktober zum 37. Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gewählt hatte. Er wird sein Amt am 1. Januar 2011 antreten.
Bericht des Präsidenten zum Download
PREISVERLEIHUNGEN
Schelling-Preis 2010
Den Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling-Preis, den höchstdotierten Wissenschaftspreis der Akademie,erhielt Prof. Dr. Matthias Mann (Jg. 1959), Direktor am MPI für Biochemie in Martinsried, für seine bahnbrechenden innovativen Arbeiten zur Technologie in der Biomedizin und Biotechnologie sowie zur Funktionellen Genomik und Proteomik. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert. (Laudatio)
Weitere Preisträger 2010
- Max Weber-Preis
Prof. Dr. Cornel Zwierlein (Jg. 1973), Juniorprofessor für Umwelt-geschichte an der Ruhr-Universität Bochum, für sein herausragendes Werk "Discorso und Lex Dei. Die Entstehung neuer Denkrahmen im 16. Jahrhundert und die Wahrnehmung der französischen Religionskriege in Italien und Deutschland". Der Preis ist mit 4.000 Euro dotiert. (Laudatio) - Arnold Sommerfeld-Preis
Prof. Dr. Hendrik Dietz (Jg. 1977), Professor für Biophysik an der TU München, für seine Pionierarbeiten auf dem Gebiet der synthetischen Biophysik bei der sog. "DNA-Assemblierung". Der Preis ist mit 4.000 Euro dotiert. (Laudatio) - Robert Sauer-Preis
Prof. Gudrun Klinker, Ph.D. (Jg. 1958), Professorin für Augmented Reality an der TU München, für ihre herausragenden Forschungen und die Entwicklung von Anwendungen auf dem Gebiet der Augmented Reality (computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung). Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. (Laudatio) - Akademiepreis der Karl Thiemig-Stiftung für Nachwuchsförderung
Matthias Reinert M.A. (Jg. 1973), wissenschaftlicher Mitarbeiter der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, für seine herausragenden Leistungen bei der Retrodigitalisierung und der Digitalisierung wissenschaftlicher Werke der Historischen Kommission. Der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert. (Laudatio) - Preis des Rotary-Clubs München-Hofgarten
Dr. Achim Marx (Jg. 1965), wissenschaftlicher Mitarbeiter des Walther-Meißner-Instituts der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, für seine zukunftsweisenden Arbeiten zum physikalischen Verständnis von Festkörper-Nanostrukturen und ihrer Anwendung in der Quanteninformationsverarbeitung. Der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert.(Laudatio) - Akademiepreis
Dr. Ludwig Meinunger und Wiebke Schröder (Ludwigsstadt-Ebersdorf) für ihr dreibändiges Werk "Verbreitungsatlas der Moose Deutschlands". Der Preis wird an Personen verliehen, die nicht hauptamtlich in der Forschung tätig sind und ist mit 5.000 Euro dotiert. (Laudatio) -
Verleihung der Medaille "Bene merenti" in Silber
Die Medaille "Bene merenti" in Silber erhielt Dr. Utta Bachmann-Morenz, Stifterin des Robert Sauer-Preises, für die langjährige, großzügige Förderung der Akademie. (Laudatio)
FESTVORTRAG
Den Festvortrag hielt Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Reinhard Rummel, Lehrstuhlinhaber für Astronomische und Physikalische Geodäsie an der TU München und Mitinitiator der ESA-Satellitenmission GOCE, die im März 2009 startete. Er ist seit 1997 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und u.a. Träger des Bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst. Sein Vortragsthema lautete:
"Die Figur der Erde"
Zum Inhalt: Im 17. Jahrhundert konnte Newton mit theoretischen Überlegungen zeigen, dass die Erde zu den Polen hin leicht abgeplattet sein muss. Die Frage nach der wahren Figur der Erde war zu dieser Zeit eines der zentralen Themen der Naturwissenschaften. Mit aufwändigen geodätisch-astronomischen Messungen in Peru und Lappland gelang es wenig später, Newtons Theorie zu bestätigen. Diese Expeditionen waren auch der Beginn einer umfassenden Vermessung und Kartierung der Erdfigur, zu der die Bayerische Akademie der Wissenschaften wichtige Beiträge lieferte. Mit dem Beginn des Raumfahrtzeitalters standen plötzlich Satellitenverfahren zur Verfügung, mit denen die Figur der Erde und ihre Veränderungen sehr viel genauer bestimmbar wurden. Nach zwanzigjähriger Vorbereitungszeit wurde 2009 die ESA-Satellitenmission GOCE gestartet. Ihre Aufgabe ist die detailgenaue Bestimmung der mathematischen Erdfigur, des Geoids. Erstmals wird dabei das Verfahren der Gravitationsgradiometrie eingesetzt. Die aus den GOCE-Daten der ersten beiden Monate abgeleitete Geoidfigur spiegelt in beeindruckender Weise Prozesse des Erdinnern wider, von der Konvektion im Erdmantel bis zum postglazialen Massenausgleich im Norden Kanadas. Gleichzeitig gelingt es mit GOCE, in Kombination mit dem Verfahren der Satellitenaltimetrie die Strömungssysteme der Ozeane zu erfassen. Dies führt zu einer verbesserten Quantifizierung des Massen- und Wärmetransports in den Ozeanen. Satellitenverfahren dieser Art werden vermehrt eingesetzt zur Bestimmung des Meeresspiegelanstiegs, der Veränderungen der Eiskappen Grönlands und der Antarktis und des kontinentalen Wasserhaushalts. Denkbar wäre, zukünftig die Figur der Erde mit extrem genauen optischen Uhren zu bestimmen. Aber dies ist noch Zukunftsmusik. (Festvortrag zum Download)