Logo der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

04/17

Die spinnen, die Elektronen! Grenzfläche zwischen Isolatoren ermöglicht Informationstransport per Spin

Heutige Computertechnologie basiert auf dem Transport elektrischer Ladung in Halbleitern. Doch schon in naher Zukunft wird das Potential dieser Technologie ausgeschöpft sein, da die verwendeten Bauteile nicht weiter miniaturisiert werden

können. Doch es gibt noch eine weitere Möglichkeit: Statt der Ladung der Elektronen könnte ihre Drehrichtung, ihr Spin, für den Informationstransport genutzt werden. Wie das geht, zeigt nun ein Wissenschaftlerteam aus München und Kyoto.

Computer und Mobilgeräte stellen Jahr für Jahr einen größeren Funktionsumfang bereit. Basis für diese Leistungssteigerungen ist eine immer weitergehende Miniaturisierung. Dieser ist jedoch eine fundamentale Grenze gesetzt, so dass eine beliebige weitere Steigerung mit konventioneller Halbleitertechnologie nicht zu erwarten ist. Forschende in aller Welt arbeiten deshalb an Alternativen. Als besonders vielversprechend

erweist sich die sogenannte Spin-Elektronik. Sie macht sich zunutze, dass Elektronen neben der Ladung auch einen Drehimpuls besitzen, den Spin. Diese Eigenschaft möchten die Fachleute nutzen, um die Informationsdichte und damit den Funktionsumfang zukünftiger Elektronik weiter zu erhöhen.

Wissenschaftler des Walther-Meißner-Institutes der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (WMI) und der Technischen Universität München (TUM) in Garching konnten jetzt zusammen mit Kollegen von der Kyoto Universität in Japan den Transport von Spin-Information bei Raumtemperatur in einem außergewöhnlichen Materialsystem nachweisen.

Eine besondere Grenzfläche

In ihren Experimenten wiesen sie die Erzeugung, den Transport und die Detektion von elektronischen Spins in der Grenzfläche zwischen den Materialien Lanthan-Aluminat (LaAlO2) und Strontium-Titanat (SrTiO3) nach. Die Besonderheit dieses Materialsystems: An der Grenzfläche zwischen den beiden nichtleitenden Materialien bildet sich eine extrem dünne, elektrisch leitfähige Schicht aus, ein sogenanntes zweidimensionales Elektronengas.

Das deutsch-japanische Team konnte nun zeigen, dass dieses zweidimensionale Elektronengas nicht nur Ladung, sondern auch Spin transportieren kann. „Dazu mussten wir zunächst einige technische Hürden überwinden“, sagt Dr. Hans Hübl, stellvertretender Direktor des Walther-Meißner-Institutes. „Die beiden wichtigsten Fragestellungen dabei lauteten: Wie lässt sich der Spin in das zweidimensionale Elektronengas übertragen und wie lässt sich sein Transport nachweisen?“

Informationstransport durch den Spin

Das Problem der Spin-Übertragung lösten die Wissenschaftler durch einen magnetischen Kontakt, dessen Elektronen durch Mikrowellenstrahlung zu einer Präzessionsbewegung gezwungen werden, analog zur Taumelbewegung eines Kreisels.

Genau wie beim Kreisel hält diese Bewegung nicht ewig an, sondern schwächt sich ab – in diesem Fall durch Abgabe von Drehmoment an das zweidimensionale Elektronengas. Dieses ist nun in der Lage, die Spin-Information zu einem nichtmagnetischen Kontakt zu transportieren, der sich einen Mikrometer neben dem magnetischen Kontakt befindet.

Der nichtmagnetische Kontakt detektiert den Spin-Transport indem er die Spins absorbiert und dabei eine elektrische Spannung aufbaut. Durch Messung dieser Spannung konnten die Forscher den Spin-Transport systematisch untersuchen und nachweisen, dass er in derartigen Strukturen über Entfernungen bis zum hundertfachen Abstand heutiger Transistoren möglich ist.

Basierend auf diesen Ergebnissen will das Wissenschaftler-Team nun erforschen, inwieweit sich mit diesem Materialsystem spin-elektronische Bauelemente mit neuartigen Funktionalitäten realisieren lassen.

Das Forschungsprojekt wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Exzellenzclusters „Nanosystems Initiative Munich“ (NIM) finanziell gefördert.

Publikation:

Strong evidence for d-electron spin transport at room temperature at a LaAlO3/SrTiO3 interface. R. Ohshima, Y. Ando, K. Matsuzaki, T. Susaki, M. Weiler, S. Klingler, H. Huebl, E. Shikoh, T. Shinjo, S.T.B Goennenwein and M. Shiraishi. Nature Materials, Advanced Online Publication 13. Februar 2017. DOI:10.1038/nmat4857

http://www.nature.com/nmat/journal/vaop/ncurrent/full/nmat4857.html 

Kontakt:

Dr. Hans Gregor Hübl,

Gruppenleiter Magnetismus und Spintronics

Walther-Meißner-Institut der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und

Lehrstuhl für Technische Physik (E23) der Technischen Universität München

Walther-Meißner-Straße 8, 85748 Garching, Germany

Tel.: +49 89 289 14204 – E-Mail: hans.huebl@tum.de  –Web: http://www.wmi.badw.de 

Pressemitteilung zum Download (PDF)

Die Bayerische Akademie der Wissenschaften, gegründet 1759, ist die größte und eine der ältesten Länderakademien in Deutschland. Sie ist zugleich Gelehrtengesellschaft und Forschungseinrichtung von internationalem Rang. Mit rund 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreibt sie Grundlagenforschung in den Geistes- und Naturwissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf langfristigen Vorhaben, die die Basis für weiterführende Forschungen liefern und die kulturelle Überlieferung sichern. Sie ist ferner Trägerin des Leibniz-Rechenzentrums, eines der größten Supercomputing-Zentren Deutschlands, und des Walther-Meißner-Instituts für Tieftem-peraturforschung. Seit 2010 betreibt sie ein Junges Kolleg für den exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs in Bayern.