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„Der Einfall ersetzt nicht die Arbeit“: Die Max Weber-Gesamtausgabe ist abgeschlossen
Er hat die Welt entzaubert, die moderne Soziologie begründet, war Workaholic und leidenschaftlicher Denker: Max Weber, Jurist, Nationalökonom, Soziologe und Akademiemitglied. Eben jene Akademie, der er als ordentliches Mitglied angehörte, legt nun zum 100. Todestag Webers den letzten Band der Gesamtausgabe seiner Werke vor. Mit Band 47 liegt das Gesamtwerk nun historisch-kritisch ediert vor. Akademiepräsident Thomas O. Höllmann gratuliert zum erfolgreichen Abschluss des Langzeitprojektes und betont die Bedeutung des Werkes Webers: „In der weltweiten Wahrnehmung deutscher Wissenschaftler nimmt Max Weber sicherlich eine Sonderstellung ein. Nur ein Beispiel: Alleine von der ‚Protestantischen Ethik‘ sind in China während der letzten Jahrzehnte rund zwanzig Übersetzungen erschienen, einige davon in mehreren Auflagen.“
Die Max Weber-Gesamtausgabe
Die Max Weber-Gesamtausgabe gibt die veröffentlichten und nachgelassenen Texte Max Webers wieder. Berichte anderer über Webers Reden, Diskussionsbeiträge und Vorlesungen werden nur dann wiedergegeben, wenn ein Weber-eigenes Dokument fehlt. „1976 übernahm die Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Akademie die institutionelle Verantwortung für die Max Weber-Gesamtausgabe, eines der größten deutschsprachigen Editionsprojekte seit Ende des Zweiten Weltkriegs“, bilanziert der Vorsitzende der Kommission, Friedrich Wilhelm Graf. Jedem Band ist eine Konkordanz mit den bisher gebräuchlichen Ausgaben beigegeben. Die MWG gliedert sich in drei Abteilungen: Schriften und Reden; Briefe; Vorlesungen und Vorlesungsnachschriften. Sie leistet durch ihre Einführungen, Kommentare und Verzeichnisse einen wichtigen Beitrag zur Wissenschafts- und Kulturgeschichte des Epochenwandels um 1900. Auf ganz neue Weise erschließt sie den wissenschaftlichen und politischen Kontext sowie die Netzwerke, in denen das Webersche Werk steht. „Nun kommt das international viel beachtete gigantische Unternehmen zum Abschluss: Zahlreiche neue Texte konnten entdeckt und erstmals ediert werden, Hunderte von bisher unbekannten Briefen sind nun zugänglich, und auch das persönliche Drama eines oft sehr kranken, zwischen gelehrter Pflicht und erotischer Neigung zerrissenen, äußerst widersprüchlichen Menschen lässt sich jetzt detailliert nachzeichnen", so Friedrich Wilhelm Graf.
MWG digital: Das Max-Weber-Portal
Der Abschluss der gedruckten Gesamtausgabe ist gleichzeitig der Startschuss zur Digitalisierung der MWG: Damit möchte die BAdW ein digitales Editionsprojekt mit modernsten Technologien bereitstellen, das den Nutzerinnen und Nutzern weltweit beste Analyse- und Suchmethoden bietet. Die digitale Aufarbeitung und Bereitstellung der Printausgabe ist ein Schritt, neue Nutzerkreise zu erschließen und somit einen Beitrag zur nachhaltigen und zukunftsweisenden Nutzung der über Jahrzehnte geförderten Editionsarbeit zu leisten. Auf die Edition aufbauend soll ein innovatives Forschungsprojekt entstehen: eine neue Plattform, die als Max-Weber-Portal eine zentrale Rolle in der internationalen Max-Weber-Forschung und deren Vernetzung übernehmen kann, indem sie Materialien, Funktionen und inhaltliche Erweiterungen für die Forscher und interessierten Laien (citizen science) bereitstellt und neue ideen- oder editionsbezogene Kooperationsmöglichkeiten eröffnet.
Organisation und Finanzierung
Die MWG wurde dezentral an drei Arbeitsstellen (München, Düsseldorf und Heidelberg) erarbeitet, die Generalredaktion hat ihren Sitz an der BAdW in München. Drei Partner zeichneten für die MWG verantwortlich: der Herausgeberkreis, die Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) in Tübingen. Den Hauptteil der Finanzierung trug von 1996 bis einschließlich 2016 das von Bund und Ländern geförderte Akademienprogramm, finanziert wurden die Bände der Gesamtausgabe außerdem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, eingeworbene Stiftungsgelder (z.B. der Werner-Reimers-Stiftung, der Fritz Thyssen-Stiftung und der Berthold Leibinger Stiftung) und nicht zuletzt durch private Spenden.
Max Weber-Jahr 2020 in München
Anlässlich des 100sten Todestages und des Abschlusses der MWG hatte die BAdW gemeinsam mit externen Partnern ein umfangreiches Programm zum Max Weber-Jahr geplant. Die Ausstellung „Bürgerwelt und Sinnenwelt. Max Webers München“ in der Seidl-Villa findet unter Hygiene-Auflagen statt (15.6 bis 25.9.2020). Weitere Angebote haben wir in den letzten Wochen in digitaler Form gebündelt: In unserer Mediathek finden Sie einen Podcast über Webers Rede „Politik als Beruf“ sowie über seine Rede „Wissenschaft als Beruf“.
Links
Projektseite der Max Weber-Gesamtausgabe (MWG)
Themenheft „Max Weber“ der Zeitschrift Akademie Aktuell
Podcast „Politik als Beruf“ (Interview mit Generalredaktorin Dr. Edith Hanke)
Podcast „Wissenschaft als Beruf“ (Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf, Prof. Dr. Gangolf Hübinger, Dr. Laura Münkler und Prof. Dr. Kai Papenfort).
Die Bayerische Akademie der Wissenschaften, gegründet 1759, ist die größte und eine der ältesten Landes-Akademien in Deutschland. Ihren Aufgaben als Gelehrtengesellschaft, außeruniversitäre Forschungseinrichtung und Ort des lebendigen wissenschaftlichen Dialogs mit Gesellschaft und Politik ist sie seit mehr als 250 Jahren verpflichtet. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf langfristigen Vorhaben, die die Basis für weiterführende Forschungen liefern und das kulturelle Erbe sichern. Die Akademie ist ferner Trägerin des Leibniz-Rechenzentrums, eines der größten Supercomputing-Zentren Europas, des Bayerischen Forschungsinstituts für Digitale Transformation und des Walther-Meißner-Instituts für Tieftemperaturforschung. Den exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs in Bayern fördert sie in ihrem Jungen Kolleg. Die Akademie ist Mitglied in der Akademienunion.