33/07
Bundespräsident verlieh Preis des Historischen Kollegs 2007 an Gerhard A. Ritter; Preisträger befürwortet nationales Einheits- und Freiheitsdenkmal in Berlin
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09. November 2007
Bundespräsident Horst Köhler zeichnete am 9. November 2007 Prof. Dr. Dres. hc. Gerhard A. Ritter (* 1929), em. Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, im Plenarsaal der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mit dem 'Preis des Historischen Kollegs' aus. Der Preis ist mit 30.000 Euro dotiert.
"In geradezu beispielhafter Art und Weise", so Klaus Hildebrand (Bonn) in seiner Laudatio, erfülle der diesjährige Preisträger die Anforderungen für den Preis des Historischen Kollegs, auch bekannt als "deutscher Historikerpreis". Gerhard A. Ritter hat, ausgehend von Untersuchungen zur Arbeiterbewegung im Wilhelminischen Reich, bevorzugt über die deutsche Sozialgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert geforscht. Daneben bilden die englische Geschichte, auch in vergleichender Perspektive, sowie das Partei- und Regierungssystem in England und Deutschland – insbesondere Rechtsstaat und Föderalismus, Parlamentarismus und Sozialstaat – die Schwerpunkte seines wissenschaftlichen Interesses.
Zuletzt erschloss er im vergangenen Jahr mit seinem weit über die Fachgrenzen hinaus gelobten Werk "Der Preis der deutschen Einheit. Die Wiedervereinigung und die Krise des Sozialstaates" (C.H. Beck: München 2006, 541 S.) wissenschaftliches Neuland. Im Mittelpunkt steht die Wirtschafts- und Sozialpolitik zwischen dem Fall der Mauer und der Bundestagswahl vom Oktober 1994. Der deutsche Sozialstaat, so das Fazit Ritters, weise im internationalen Vergleich trotz aller politischen Umbrüche eine erstaunliche Kontinuität auf. In seinem Vortrag im Anschluss an die Preisverleihung bezeichnete er den Fall der Mauer und seine Folgen als "tiefe Zäsur in der europäischen und Weltgeschichte". Zur Wiedervereinigung habe es "keine politisch realisierbare Alternative" gegeben, auch wenn im Einzelnen Fehler gemacht worden seien. Er schloss mit der Aufforderung, der friedlichen Revolution von 1989 ein nationales Freiheits- und Einheitsdenkmal auf dem Berliner Schlossplatz zu widmen.
Staatsminister Thomas Goppel betonte in seinem Grußwort, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte sei "Mahnung, gibt uns Orientierung und manchmal – so hoffen wir es zumindest – auch Hilfestellung bei der Lösung aktueller Probleme." Er würdigte die Bedeutung der privaten Förderer, die das Historische Kolleg unterstützen. Das diesjährige Preisgeld hat der Freundeskreis des Kollegs unter dem Vorsitz von Hilmar Kopper zur Verfügung gestellt.
Lothar Gall, Vorsitzender des Kuratoriums des Historischen Kollegs, hob in seinem Grußwort hervor, dass die Finanzierung des zeitweise gefährdeten Historischen Kolleg für 2007/2008 dank des "außerordentlichen Engagements" bayerischer Unternehmen, darunter E.ON Bayern, Audi und BMW, gesichert sei. "Ab 2009 rechnen wir wieder mit einer stabilen staatlichen Finanzierung."
Das Historische Kolleg, gegründet 1980, ist ein "Institute for Advanced Study" der historisch orientierten Wissenschaften. Es bietet hervorragend qualifizierten Wissenschaftlern des In- und Auslandes die Möglichkeit, für die Dauer eines Jahres besondere Forschungsvorhaben durchzuführen. Seit 1983 vergibt das Historische Kolleg alle drei Jahre einen deutschen Historikerpreis, der das wissenschaftliche Gesamtwerk eines Historikers auszeichnet. Grundlage für die Auszeichnung ist ein herausragendes Werk, das wissenschaftliches Neuland erschließt, über die Fachgrenzen hinaus wirkt und in seiner sprachlichen Gestaltung vorbildhaft ist. Der Preis ist mit 30.000 Euro dotiert und wird vom Bundespräsidenten verliehen.
Die Texte aller Vortragsmanuskripte des Abends stehen Ihnen hier zum Download zur Verfügung: