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Soeben erschienen: Ficklers Inventar der Münchner Kunstkammer von 1598

Bayerische Akademie der Wissenschaften veröffentlicht ältestes Verzeichnis eines der ersten deutschen Museen. Mit über 6.000 Objekten war die Kunstkammer Herzog Albrechts V. von Bayern einmalig nördlich der Alpen. Sie umfasste Gegenstände aller damaligen Wissensgebiete, Kostbarkeiten und Kuriositäten aus der ganzen Welt.

 

 

22/04
04. November 2004

Bayerische Akademie der Wissenschaften veröffentlicht ältestes Verzeichnis eines der ersten deutschen Museen. Mit über 6.000 Objekten war die Kunstkammer Herzog Albrechts V. von Bayern einmalig nördlich der Alpen. Sie umfasste Gegenstände aller damaligen Wissensgebiete, Kostbarkeiten und Kuriositäten aus der ganzen Welt.

Im Lauf des 16. Jahrhunderts haben die bayerischen Herzöge nahe bei ihrer Residenz eine „Kunstkammer“ begründet, eine Art Universalmuseum. Es diente der Freude an exquisiten Kunstgegenständen ebenso wie der Belehrung auf allen erdenklichen Wissensgebieten. Kostbarste Goldschmiedearbeiten waren darin zu sehen, Skulpturen, antike Münzen, wertvolle Bücher und Kupferstiche, Gegenstände aus fremden Ländern und Kontinenten, aus China, Afrika und der Neuen Welt, Gemälde von Dürer, Tizian, Cranach, Altdorfer, die heute herausragende Objekte in den Museen darstellen. Unter ihnen kennen wir beispielsweise Altdorfers Alexanderschlacht oder das ceylonesische Kästchen der Schatzkammer. Naturalien der verschiedensten Art stellten eine wissenschaftliche Lehrsammlung dar, darunter so spektakuläre wie ein präparierter Elefant, Geschenk Kaiser Maximilians II., und mehrere Krokodile. Modelle der fünf bayerischen Regierungsstädte, Landkarten und anderes brachten das Interesse des Fürsten am Gebiet seiner Herrschaft zum Ausdruck. Ergänzend kamen wissenschaftliche und technische Geräte hinzu. 6000 oder mehr einzelne Objekte muss diese Kunstkammer beherbergt haben; mit ihren Gemälden und der reichhaltigen Münzsammlung stellt sie den Grundstock der Münchner Museen dar.

Die Münchner Kunstkammer war, soweit die kargen überlieferten Daten einen Schluss zulassen, die früheste der großen fürstlichen Sammlungen dieser Art im Heiligen Römischen Reich, ihr folgten in freundschaftlichem Wettstreit die Kunstkammer Erzherzog Ferdinands II. von Österreich auf Schloss Ambras über Innsbruck und, eine Generation später, die legendäre Sammlung Kaiser Rudolfs II. auf dem Hradschin in Prag.

Herzog Albrecht V. von Bayern (reg. 1550-1579) war der Gründer von vier zu seiner Zeit in Deutschland einzigartigen Sammlungen: der herzoglichen Schatzkammer, der Kunstkammer, einer Antikensammlung und der Hofbibliothek. Für Antiken, Kunstkammer und Bibliothek ließ der weitblickende Fürst eigene Sammlungsgebäude errichten, den freistehenden Antiquariumsbau mit der Bibliothek im Obergeschoss, der später in die herzogliche Residenz mit eingeschlossen wurde, und für die Kunstkammer die noch heute erhaltene Vierflügelanlage der Alten Münze, jetzt Landesamt für Denkmalpflege, mit ihrem prachtvollen Renaissanceinnenhof.

Da das Gebäude der Münchner Kunstkammer erhalten ist, können wir uns auch in den Dimensionen eine Vorstellung von der Aufstellung ihrer Objekte machen. In den vier Flügeln des zweiten Obergeschosses waren auf tausenden von Quadratmetern die Kunstwerke und anderen Stücke auf Tischen, in Schränken, auf Wandborden oder an den Wänden hängend ausgestellt, zweckmäßig, eher schlicht und hell. Bei Staatsbesuchen gehörte eine Besichtigung der Kunstkammer zum festen Programm, doch auch nichtadelige Besucher, Künstler oder Gelehrte konnten, wenn sie darum nachsuchten, die Kunstkammer besichtigen.

Die Münchner Kunstkammer überdauerte nur drei Generationen: Bei der Plünderung durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg 1632 wurde, was Kurfürst Maximilian nicht zuvor in Sicherheit gebracht hatte und was die Schweden und ihre Verbündeten nicht mit sich nahmen, zum Großteil zerstört. Eine Vorstellung von den vielseitigen Beständen vermittelt jedoch ein umfangreiches Inventar, das glücklicherweise in der Bayerischen Staatsbibliothek in zwei Handschriften erhalten ist: die 1598 von dem herzoglichen Rat Johann Bapist Fickler angelegte Kurzbeschreibung jeder einzelnen der 3.407 Nummern.

Seit rund hundert Jahren ist es ein Vorhaben der Münchner Forschung, dieses sogenannte Ficklersche Inventar zu veröffentlichen; es scheiterte immer wieder an dem enormen Umfang der Aufgabe. Dieses Projekt ist nun in die Tat umgesetzt worden: Eine Arbeitsgruppe von Münchner Kunsthistorikern hat sich zusammengetan, um den originalen Text zu edieren und die Stücke, soweit sie noch erhalten sind, zu identifizieren oder sie doch in ihrem Typus zu beschreiben. So wird die seit langem nicht mehr existierende, einst bedeutende herzogliche Kunstkammer wieder erlebbar werden. Das Projekt wird von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mit Stiftungsmitteln unterstützt. Soeben erschienen ist der erste Band mit der Transkription des Handschriftentextes (Bayerische Staatsbibliothek München, cgm 2133). Der ausführlich bebilderte Katalog, der den einzelnen Gegenständen daraus nachgeht, ist weit gediehen und soll innerhalb zweier Jahre folgen.

Bibliographische Angaben:

Johann Baptist Fickler, Das Inventar der Münchner herzoglichen Kunstkammer von 1598. Editionsband: Transkription der Inventarhandschrift cgm 2133, herausgegeben von Peter Diemer in Zusammenarbeit mit Elke Bujok und Dorothea Diemer. München, Verlag C.H. Beck, 2004. 319 S., 42 Abb. in s/w, (Bayerische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Abhandlungen, Neue Folge, Heft 125), ISBN 376960120 3, € 90,-