bedeutet, der Sehnsucht nach einfa chen Antworten nicht nachzuge ben und dem Publikum Komplexität und Differenzie- rungen zuzutrauen. Aber umso mehr braucht Wissenschafts kommunikation gute, niederschwellige „Hooks“. Damit meine ich, nicht nur an den Kern, den eigentlichen Inhalt, zu denken, sondern auch viel Energie in eine ansprechende Verpackung zu stecken. Denn auch wenn bei Wissenschaft gilt „Don’t judge a book by its cover“, ist das Cover ja genau das, was Menschen dazu bewegt, überhaupt ins Buch reinzuschauen. Bei einem You- Tube-Video geht es nicht nur um den eigentlichen Inhalt, sondern auch um Videotitel, Thumbnail (Vorschaubild), das Setting, also wie das Bild aussieht, und die Ansprache – also Oberflächlichkeiten, die dazu führen können, dass der Inhalt möglichst viele Menschen erreicht. Mit Ihren Sendungen, Büchern und You- Tube-Beiträgen sind Sie zu einer der erfolgreichsten Wissenschaftskommu- nikatorinnen in Deutschland geworden. Was raten Sie jungen Menschen, die auch diesen Weg ein schlagen möchten? Unterschätzt nicht die Social Media- Platt formen, weil sie zu oberflächlich erscheinen. Es ist sicher nicht einfach, eine Reichweite aufzubauen – aber vor nicht allzu langer Zeit war es schier unmöglich. „Broadcast yourself“ und bleibt authentisch. Viele glauben, man müsste etwa die Sprache von Gen Z ler- nen, um junge Menschen abzuholen, dabei err“eicht man damit oft genau das Gegenteil. Mein Lieblingsbeispiel ist Harald Lesch, der sehr viele junge Men- schen erreicht, die ihm gerne zuhören, auch weil er authentisch er selbst ist. Im November 2024 haben Sie bei der Münchner Bücherschau das Buch „Wel- che Farben hat der Regenbogen?“ aus Ihrer Reihe „BiBiBiber hat da mal ’ne Fra- ge“ vorgestellt. Welche „Zutaten“ sollte Wissenschaftskommunikation haben, um junge Menschen zu erreichen? Die wichtigste Zutat ist: Kinder ernst neh- men. Ehrlich gesagt, Kinder sind ein viel dankbareres Publikum als Erwachsene. Sie haben immer noch „Forschergeist“, der vielen im Erwachsenenalter verloren geht. Sie fragen immer und immer weiter „Warum?“ und geben sich nie zufrieden. Im Gespräch 1.2025 Sie sind offen und frei von Ideologien. Sie sind also das perfekte Publikum für Wis- senschaft. Und wie bei Erwachsenen gilt: Wissenschaft darf auch Spaß machen – bunt, lustig oder einfach nur schön sein. Und welche Farben hat der Regenbogen? Genau genommen gar keine. Denn Far- ben gibt es „da draußen“ gar nicht. Sie entstehen einzig und allein in unserem Kopf, in unserem Gehirn. Sie sind eine Wahrnehmung. Und da jedes Gehirn ein wenig anders ist, ist jeder Regenbogen ein ganz individuelles Spektakel, das jeder Mensch für sich erlebt. Das ist zumindest die kurze Antwort, mit nur einem Mind- blow. Im BiBiBiber-Buch verstecken sich auf den sehr vielen bunten Seiten noch viel mehr Mindblows und Antworten auf alle erdenklichen „Warum?“-Fragen. „Gute Wissenschafts- kommunikation bedeutet, der Sehnsucht nach einfachen Antworten nicht nachzu- geben und dem Publikum Komplexität und Differen- zierungen zuzutrauen.“ Welchen Herausforderungen begegnen Sie in Ihrer Arbeit? Meine Arbeit fordert mich täglich heraus. Das fängt an mit Einsteins „Wenn du es nicht einfach erklären kannst, hast du es nicht gut genug verstanden“. Ich muss also zunächst sehr viel lernen und ver- stehen. Und das Herausfordernde und Schöne ist, dass es keine Pauschal-Blau- pause gibt für die perfekte Erklärung. Je nach Thema muss ich mir immer wieder aufs Neue Gedanken machen, was der beste Weg ist. Eine der größten Herausforderungen ist der Fokus aufs Wesentliche. Gerade bei MAITHINK X merke ich das bei jeder Sen- dung. Wir haben ja nur 30 Minuten Zeit und zerbrechen uns jedes Mal den Kopf, auf was wir verzichten müssen, damit die Sendung nicht zu lang wird. Wie binden Sie Rückmeldungen des Pub- likums, das Sie über die verschiedenen Online-Plattformen erreicht, bei Ihren Formaten ein? Wir halten uns da an den Satz „Bei Kom- munikation zählt nicht, was man sagt, sondern was ankommt“. Wenn wir etwa viele, vielleicht auch empörte Rückmel- dungen bekommen, aus denen klar wird, dass diese Menschen das Thema falsch verstanden haben, dann sehen wir die Schuld auf jeden Fall bei uns. Dann wis- sen wir: Das müssen wir in Zukunft bes- ser erklären. Die Kunst ist es, solche Fäl- le von denjenigen zu unterscheiden, die etwas nicht verstehen wollen, etwa aus ideologischen Gründen. Das wird es bei Wissenschaft immer geben, man wird immer wieder mit Weltbildern kollidie- ren, und Fakten können es nun mal nicht allen Recht machen. Wie schaffen wir es, Fakten statt Mehr- heiten wieder ein größeres Gewicht zu geben? Tja, wenn ich das bloß so locker-flockig mal schnell sagen könnte! Ich denke hier an das sogenannte Bullshit-Asym- metrie-Gesetz. Demnach kann man mit sehr wenig Anstrengung Bullshit behaup- ten, während es unverhältnismäßig viel Anstrengung bedarf, diesen Bullshit zu widerlegen. Für mich heißt das, dass sowohl Wissenschaftskommunikation von Forschenden als auch der Wissen- schaftsjournalismus noch deutlich stär- 10 10 A k a d e m i e A k t u e l l