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China zwischen Expansion und Abschottung

  • 10. March 2022  |  18:00 o'clock
  • Geisteswissenschaft im Dialog
  • Die Geschichte Chinas lässt sich auf vielfältige Weise gliedern. Die traditionelle Geschichtsschreibung teilt sie in Kaiserdynastien auf, die einander ablösten. Diese Gliederung entspricht einem zyklischen Verständnis der Geschichte, in denen Phasen der Einheit des Reiches und der politischen Zersplitterung aufeinander folgten – ein Wechselspiel zwischen Ordnung und Chaos. Eine andere Unterscheidung folgt dem regelmäßigen Wechsel zwischen Epochen, in denen die Hinwendung nach außen im Vordergrund stand, und Perioden, in denen der Kaiserhof Selbstgenügsamkeit diktierte. Die Blütezeit der Tang-Dynastie etwa wird landläufig mit einer großen kulturellen Offenheit in Verbindung gebracht und auch zu anderen Zeiten standen fremde Kulturen und der Austausch mit diesen immer wieder hoch im Kurs. Beispiele der Abschottung hingegen sind die abrupte Abkehr von den großen See-Expeditionen der Ming-Dynastie im 15. Jahrhundert, die berühmt gewordene Absage des Qianlong-Kaisers an den Handel mit England Ende des 18. Jahrhunderts und die Zeit der Kulturrevolution, in der es so gut wie keine Kontakte mit dem Ausland gab. Heute kann man den Eindruck gewinnen, dass die Regierung unter Xi Jinping die beiden eigentlich nicht zu vereinbarenden Herangehensweisen der Expansion und Abschottung gleichzeitig verfolgt: Die auf ökonomische Vernetzung abzielende „Neue Seidenstraße“ ebenso wie den ausländische Medien aussperrenden „großen Feuerwall“; eine aktive Propagierung chinesischer Kultur nach außen und ein zunehmend rigides Vorgehen gegen vermeintlich schädliche ausländische Kultureinflüsse im Inneren; oder die ständige Betonung einer Fortsetzung der Öffnungs- und Reformpolitik und die gleichzeitige Ankündigung, einen doppelten Wirtschaftskreislauf zu fördern, mit klarem Fokus auf mehr inländischer Innovation, Produktion und Nachfrage, um so die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu stärken. Wie reflektiert China seine eigene Vergangenheit? Ist der Blick auf die lange Geschichte des Landes überhaupt hilfreich, um die Entwicklungen im heutigen China zu erklären? Können Ansätze, die auf einen zyklischen Verlauf der chinesischen Geschichte zurückgreifen, gegenwärtige Entwicklungen begründen, oder folgen sie einem überholten Verständnis Chinas als der „anderen“ Kultur mit einer grundverschiedenen Geschichte? Wie wird sich die Corona-Pandemie auf die Tendenzen der Abschottung und Entkopplung vom Ausland in China auswirken? Kann der von der Regierung propagierte doppelte Wirtschaftskreislauf überhaupt funktionieren? Wir wirkt sich der Balanceakt zwischen Öffnung und Kontrolle auf die digitale Transformation des Landes aus? Wie ist es um die Wissenschaft in China und im globalen Kontext bestellt, und welche Auswirkungen haben die aktuellen wissenschaftspolitischen Entwicklungen auf künftige Kooperationen?
  • Öffentliche Veranstaltung
  • Dr. Anna L. Ahlers (Lise-Meitner-Forschungsgruppe mit dem Thema „China in the Global System of Science“, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin), Prof. Dr. Thomas O. Höllmann (Sinologie, Präsident der BAdW), Prof. Dr. Hans van Ess (Sinologie, LMU München/Präsident der Max-Weber-Stiftung), Prof. Dr. Genia Kostka (chinesische Politik, Freie Universität Berlin), Prof. Dr. Nele Noesselt (Politikwissenschaft und Politik Ostasiens/Chinas, Universität Duisburg-Essen)
  • Dr. Astrid Freyeisen (Redaktionsleiterin Wirtschaft und Soziales beim Bayerischen Rundfunk)
  • Anmeldung per E-Mail (gid@maxweberstiftung.de) bis zum 8. März 2022
  • Eine Kooperation der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, dem European Research Centre for Chinese Studies (Peking) sowie der Max Weber Stiftung